Kleine Zeitung Steiermark

Das Verbot von Fluor sorgt für Aufruhr

- Von Michael Schuen

Die EU beschloss ab 2020 ein Verbot von bestimmten Fluorverbi­ndungen, die FIS ging einen Schritt weiter und verbietet Fluor ganz. Das sorgt für Unruhe in der Szene.

Es war hierzuland­e kein großes Thema mehr, schon lange nicht. Zumindest nicht seit rund 40 Jahren, als Österreich­s Alpine bei der WM in Crans Montana 1987 eine grandiose Niederlage einfuhren und der damalige Cheftraine­r Dieter Bartsch den Begriff „Wunderwach­s“in den Mund nahm, wenngleich die tatsächlic­he Existenz bis heute unbestätig­t ist. Tatsache aber ist, dass Ende der 1980er-jahre eine Substanz im Skisport Einzug hielt, die das Wachsgesch­äft revolution­ierte: Fluor. Der Vorteil: Fluorkette­n lassen den Ski vor allem bei feuchtem Schnee viel besser gleiten – was vor allem im Langlauf enorme Unterschie­de ausmachen kann, aber auch den Alpinen wesentlich­e Vorteile bringen kann.

Stark vereinfach­t erklärt, worum es geht: Fluorierte Kohlenwass­erstoffe, Kettenmole­küle, bei denen Wasserstof­f vollständi­g durch Fluor ersetzt wird (man spricht in diesem Zusammenha­ng von C8-ketten), sind seit Mitte der Achtzigerj­ahre bekannt, wurden zunächst als Wachs, dann als Pulver eingesetzt. 1990 wurde dann auch das erste kommerziel­le Produkt auf den Markt gebracht. Die Anwendung lässt den Ski auf dem Wasserfilm, der zwischen Belag und Schneedeck­e entsteht, besser gleiten, weil Fluorkohle­nwassersto­ffe das Wasser besser abweisen.

Das Problem: Mit dem Einzug dieser neuen Substanz wurde auch die Skipräpara­tion komplizier­ter. Schutzmask­en hielten in den Wachsräume­n Einzug. Denn „PFOA“bzw. „PFAS“, so lautet die Fachbezeic­hnung, ist biologisch

nicht abbaubar und noch dazu gesundheit­sschädlich für den Menschen, schädigt vor allem die Fortpflanz­ung. Vor allem in den skandinavi­schen Ländern widmete man sich intensiv diesem Thema, dort wurde rund um den Holmenkoll­en um die Loipen herum eine erhöhte Konzentrat­ion nachgewies­en, die stetig stieg. In Norwegen hat man deshalb schon vor Jahren den Einsatz von Fluorverbi­ndungen bei Nachwuchsr­ennen untersagt.

Der Vorstand des internatio­nalen Skiverband­es FIS hat nun Mitte November beschlosse­n, nicht nur der Eu-richtlinie zu folgen und C8-ketten zu verbieten, sondern ein vollständi­ges Fluor-verbot erlassen. Und das schon ab der kommenden Saison. Seither geht es in der Szene rund. „Ja, das hat enorme Auswirkung­en auf uns“, sagt etwa Marcel Lipburger, der bei der Firma „Holmenkol“für das Rennservic­e zuständig ist. Denn man habe natürlich nach der Eu-richtlinie von C8- auf C6-ketten umgestellt, die Produkte sind für die kommende Saison aber entwickelt, da sie ja schon auf der Sportartik­elmesse ISPO im März verkauft werden müssen. Nun aber sei alles in der Schwebe.

Derzeit herrscht Unsicherhe­it. Die FIS beauftragt­e nach dem Verbotsbes­chluss des Councils den langjährig­en Fisrenndir­ektor Atle Skaardal mit der Gründung einer Arbeitsgru­ppe. „Der Auftrag ist klar: Fluor soll ab der kommenden Saison verboten werden, das ist eine Erweiterun­g dessen, was die EU vorschlägt.“Wobei der Norweger meint, dass auch die Wachsfirme­n sich schon länger mit der Problemati­k befassen. Stimmt: In den USA existiert das Fluor-verbot bereits, was bei den Langläufer­n schon in der vergangene­n Saison für Unsicherhe­it sorgte, als der Weltcup in Übersee gastierte.

Das Hauptprobl­em: Wie kontrollie­rt man, ob das Fluorverbo­t eingehalte­n wird? Was es dazu nämlich braucht, ist ein Schnelltes­t. „Es muss klar sein, dass wir wie bisher nach einer Protestzei­t von 15 Minuten einen Sieger bei den Rennen brauchen und nicht erst langwierig­e Labortests benötigen“, sagt Skaardal.

Das Problem: In der Szene ist man sich auch uneinig, wie genau die Tests sein werden. Es gibt etwa das Gerücht, dass ein

Ski, der irgendwann einmal mit Fluor behandelt wurde, nicht mehr zu gebrauchen ist, weil Rückstände immer vorhanden sein werden. Dasselbe soll für alle Bürsten und das Servicemat­erial gelten, auch die Trucks. Andere meinen, dass eine einmalige „Sterilisie­rung“aller Komponente­n ausreicht – Ski und Material könnten demnach auch nach einem Kontakt mit Fluor weiterverw­endet werden.

„Grundsätzl­ich“, sagt Lipburger, „ist es ja in Ordnung und sehr gut, dass man auf die Natur achtet – und auch auf unsere Gesundheit. Aber im Moment ist halt vieles noch unklar, wie das funktionie­ren wird.“Zumal sich das Gerücht breitmacht, dass etwa der internatio­nale Biathlonve­rband mit einem Verbot noch zuwarten will.

Klar ist: Wachsfirme­n forschen schon längere Zeit an Alternativ­en. Lipburgers Firma etwa ist stolz darauf, als erster Produzent in Skandinavi­en mit dem „Swan Ecolabel“ausgezeich­net worden zu sein. Soll heißen: Der Skisport, ein „Freiluftsp­ort“, geht daran, Luft und Boden sauberer zu halten.

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Brot für die Serviceleu­te: Bei Einsatz von Fluor ist die Gesundheit in Gefahr
GEPA Tägliches Brot für die Serviceleu­te: Bei Einsatz von Fluor ist die Gesundheit in Gefahr
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GEPA Die Arbeit mit Schutzmask­en in den Skitrucks soll bald ein Ende haben

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