Maria voll der Gnade
Das Weihnachtsevangelium ist eine anheimelnde Geschichte. Eine, in der allerdings auch etliche
theologische Botschaften stecken.
Nicht nur in der Sorge um ihren Sohn, von der Geburt bis zu ihrer Verzweiflung, wenn sie unter dem Kreuz steht, war Maria eine „große Frau“. Auch in anderer Hinsicht überragt sie so manch eine zentrale Gestalt der Bibel, wie die Geschichte der Verheißung der Geburt Jesu (LK 1, 26 ff.) belegt. Der Hintergrund ist, dass Gott sich einiger auserwählter Menschen bedient, um seine Botschaft auf die Erde zu bringen. In den Schriften des Alten Testaments finden wir etliche Beispiele, in denen Gott Menschen beauftragt, seinen Willen zu erfüllen. So befiehlt er Mose, das Volk der Israeliten aus der Knechtschaft Ägyptens herauszuführen. So tatkräftig sich Mose später als Anführer seines Volkes auch herausstellt, auf den Anruf Gottes reagiert er zunächst zögerlich.
Er sagt: „Wer bin ich denn, dass ich zum Pharao gehen und die Israeliten aus Ägypten herausführen könnte?“Schließlich fügt er sich doch und geht zum Pharao.
Nicht weniger verzweifelt ist der große Prophet Jesaja, der überhaupt sein Ende kommen sieht, wenn er seine Berufung mit dem Satz kommentiert: „Weh mir, ich bin verloren!“Am radikalsten verweigert sich Jona dem Ruf Gottes. Dieser will den Propheten nach Ninive schicken, damit er dort ein Strafgericht ankündige. Jona aber fürchtete sich offenbar vor dieser Aufgabe und nahm ein Schiff nach Tarschisch, „weit weg vom Herrn“. Aber der Herr ließ nicht locker, er rettete Jona, den die Besatzung des Schiffs über Bord geworfen hatte, indem er einen
„großen Fisch“schickte. Dieser verschluckte den abtrünnigen Propheten und spuckte ihn schließlich dort aus, wo der Herr ihn schon ursprünglich hatte haben wollen: in Ninive. Einen ähnlichen Anruf Gottes erfährt ein Mädchen namens Mirjam (hebräisch) oder Maryam (aramäisch), das in dem kleinen Kaff Nazaret in Galiläa lebt. Bei ihm trat der Engel Gabriel ein und verkündete: „Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären: Dem sollst du den Namen Jesus geben.“n der Tradition der großen Männergestalten der hebräischen Bibel, die sich zunächst einmal dem Anruf Gottes verweigert haben, könnte man meinen, dass die wohl erst 16 oder 17 Jahre junge Frau in ihrem ersten Schock genau dasselbe tut. Aber sie ist tapfer
Iund antwortet, ganz ohne zu zögern: „Ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe, wie du es gesagt hast.“Durch diese sofortige Hingabe an Gott, die keinen Zweifel kennt und auch kein Zaudern, beweist Maria eine tiefe Hingabe an ihren Gott. Damit steht sie etwa mit Abraham auf einer Stufe, der ebenfalls bereit war zu tun, was Gott von ihm verlangte. Und sei es, seinen eigenen Sohn Isaak zu opfern. iese Hingabe sollte reichen, um Maria im Christentum zu einer zentralen Gestalt werden zu lassen. Da bedarf es keiner Verkitschung und auch keiner Quasi-vergöttlichung. Sie ist eine große Frau, weil sie sich, jung, wie sie war, ihre Lebenspläne von Gott hat durchkreuzen lassen. Und das, ohne zu zögern.
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