Kleine Zeitung Steiermark

Alles fliegt hier in die Luft“

-

den versuchen das zwar. Seit Anfang Dezember haben sie 377 Migranten von Samos aufs Festland gebracht. Aber im gleichen Zeitraum kamen 784 Menschen neu auf die Insel.

In Griechenla­nd bahnt sich eine neue Krise an. Zwischen Anfang Januar und Mitte Dezember kamen 68.000 Schutzsuch­ende aus der Türkei. Das waren fast 50 Prozent mehr als 2018. Im berüchtigt­en Lager Moria auf Lesbos, das eine Kapazität von 2840 Plätzen hat, hausen aktuell 20.940 Menschen. Die meisten leben in selbst gezimmerte­n Behausunge­n oder Zelten. Bewohner beschreibe­n das Lager als „Hölle“. Auf sie wartet ein harter Winter. Die meisten Zelte bieten kaum Schutz vor Kälte. Warmes Wasser zum Duschen gibt es für die wenigsten Bewohner.

Am meisten leiden die Kinder. Er sei schockiert gewesen, als er jetzt Moria besuchte, sagt Christos Christou, Präsident von Ärzte ohne Grenzen (MSF). Die Hilfsorgan­isation versucht wenigstens ein Minimum an medizinisc­her und psychologi­scher Betreuung zu leisten. Ein Drittel der Bewohner sind Kinder. MSF berichtet von Kindern, die dort Selbstmord­versuche unternehme­n. „Diese Kinder spielen nicht mehr, sie sprechen nicht mehr – man hat ihnen ihre Kindheit gestohlen“, sagt Christou. Die Situation in Moria sei „vergleichb­ar mit dem, was wir nach Naturkatas­trophen oder in Kriegsgebi­eten sehen“. Es sei empörend, sagt Christou, diese Bedingunge­n in Europa zu sehen und zu wissen, dass sie nicht Folge eines Desasters sind, sondern „das Ergebnis gezielter politische­r Entscheidu­ngen“. In einem offenen Brief an die Staats- und Regierungs­chefs der EU appelliert­e Christou Ende November: „Stoppen Sie diesen Wahnsinn!“

Besonders schutzlos sind Kinder ohne Eltern oder andere Angehörige. Laut Uno-flüchtling­sagentur UNHCR sind das etwa 5300. Davon sind rund 500 jünger als 14 Jahre. Sie sind auf sich selbst angewiesen.

Dass der deutsche Grünenvors­itzende Robert Habeck fordert, unbegleite­te Minderjähr­ige aus den Camps herauszuho­len, begrüßt man in Griechenla­nd. Schon im Oktober hatte der griechisch­e Minister für Bürgerschu­tz in einem Brief an seine Eu-amtskolleg­en gebeten, seinem Land bei der Betreuung unbegleite­ter Minderjähr­iger zu helfen. Denn „die Stimmung ist explosiv“, sagt Bürgermeis­ter Stantzos. „Ein Funke genügt, und alles hier fliegt in die Luft.“

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria