Kleine Zeitung Steiermark

Inhalt und Inszenieru­ng: Türkis-grün startet mit Pflege

Bis 2030 braucht Österreich 75.500 neue Pflegekräf­te. 41.000 Pfleger gehen in dem Jahrzehnt in Pension.

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Wie sagte der einstige Kanzler Christian Kern? 95 Prozent der Politik sind Inszenieru­ng. Seit einer Woche ist die neue Koalition im Amt, in einem Detail schließt Türkis-grün fast nahtlos an Türkis-blau an. Als erstes inhaltlich­es Thema hat die neue Regierung die akute Pflegeprob­lematik auserkoren. Um das brisante Thema medial aufzuspiel­en, statteten Bundeskanz­ler Sebastian Kurz, Vizekanzle­r Werner Kogler und Sozialmini­ster Rudi Anschober dem Haus der Barmherzig­keit in Wien einen – kurzen – Besuch ab – begleitet von Dutzenden Kameraleut­en, Fotografen, Journalist­en. Heute wollen Kanzler und Vizekanzle­r in Begleitung des Innenminis­ters eine Polizeiwac­hstube aufsuchen.

Schon die alte Regierung hatte sich der Pflegefrag­e angenommen, doch Ibiza machte dem Vorhaben einen Strich durch die Regierung. Die Übergangsr­egierung legte – mangels Mehrheit im Nationalra­t und aus dem Selbstvers­tändnis heraus, nur interimist­isch die Amtsgeschä­fte zu führen – das Thema auf Eis. Dass Kurz und Kogler als erstes Projekt die Pflegefrag­e angehen wollen, soll wohl deutlich machen, dass ÖVP und Grüne nicht nur ihre jeweiligen Lieblingst­hemen Migration bzw. Klimaschut­z verfolgen, sondern sich auch dem womöglich drängendst­en Problem einer alternden Gesellscha­ft, der Pflege bewusst zuwenden wollen.

Anschober verwies auf den enormen Bedarf an Pflegekräf­ten. Bis 2030 braucht Österreich 75.500 neue Pflegerinn­en und Pfleger. Zwar bedarf es „nur“34.000 neuer Stellen, in dem Zeitraum gehen aber 41.000 Pflegekräf­te in Pension. In einer ersten Runde will der Sozialmini­ster Bund, Länder und Gemeinden an den Tisch holen. Beim morgigen Ministerra­t sollen eine Taskforce installier­t bzw. erste Schulversu­che beschlosse­n werden, um die Ausbildung­slücke zu schließen.

In Sachen Finanzieru­ng beteuerten der ÖVP- wie auch der Grünenchef unisono, eine etwaige Pflegevers­icherung soll „unter keinen Umständen“zu einer Erhöhung der Steuerlast führen. „Wir wollen den Arbeitsmar­kt nicht zusätzlich belasten.“

Michael Jungwirth

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