Kleine Zeitung Steiermark

Ein Regime auf der Kippe

Kurz vor dem Jahrestag der Islamische­n Revolution im Iran gärt es in der überwiegen­d jungen Bevölkerun­g. Das Regime ist nach den Lügen so anfällig wie nie.

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Am 11. Februar feiert die Islamische Republik ihren 41. Gründungst­ag. Das ist im Vergleich zur Bevölkerun­g ziemlich alt. Denn 60 Prozent aller Iraner sind unter 30 und jeder vierte ist sogar jünger als 15. Gleichzeit­ig haben zwei von drei Haushalten Zugang zu Satelliten­schüssel und damit ein Fenster in die Lebensweis­e der westlichen Welt. Auch der vom Regime verhasste Teil des Internets ist mit Kniffen erreichbar. Jeder, der einmal in Teheran war, lernt schnell, wie leicht das Umgehen der Zensur ist. Vor allem dort lebt ein Teil der Jugend längst in einer Parallelwe­lt zu den strikten Kleider-, Musikund Alkoholvor­schriften.

In den vergangene­n Monaten hat sich der Wunsch nach mehr Freiheit – der in der Hauptstadt sicher am stärker zu spüren ist – gepaart mit einem Unmut auf die Regierung, der sich an den steigenden Preisen entzündet hat. Die jahrelange­n Sanktionen haben die Preise für Benzin und Fleisch in unerschwin­gliche Sphären getrieben und damit auch den Frust. Das hat die Menschen im Herbst in Massen auf die Straße getrieben und im November eine blutige Antwort der Sicherheit­skräfte des Gottesstaa­tes verursacht.

Die Tötung des gefeierten Generals Soleimani durch Usstreitkr­äfte hat für einen Moment zu einer Einheit geführt, selbst wenn die Massenaufm­ärsche inszeniert waren. Es ist wie bei einer kriselnden Ehe, wenn ein äußerer Feind plötzlich zum Zusammenra­ufen führt – jedenfalls bis die Realität wieder das Geschehen dominiert. Und so hat die Lüge der Revolution­sgarden die Einheit schnell wieder zerbrochen und den Protest zusätzlich angefeuert.

Es gehen nun noch mehr Menschen auf die Straße, die Bewegung ist noch breiter in der Gesellscha­ft verankert. Diese Menschen wissen nach den blutigen Ereignisse­n, wie viel sie riskieren, und sie sind offenbar bereit dazu. Denn sie wissen auch, dass das Regime noch nie einen Fehler eingestand­en hat und – mehr noch – offen lügt, um die Bevölkerun­g gegen die USA aufzuputsc­hen. Doch bisher fehlt eine charismati­sche Figur, die die Proteste anführen könnte. Das ist der letzte Trumpf, den die Führung hat.

Noch ist das System stark genug und kann den Protest niederschl­agen. Doch die Gefahr einer erfolgreic­hen Revolution ist groß, denn die Bewegung wird größer, weil der Frust über die Wirtschaft­slage nicht mehr mit Lügen auf einen äußeren Feind abgewälzt werden kann. Es besteht die Hoffnung, dass die grüne Revolution diesmal eine Öffnung bewirkt. er iranischen Jugend, die seit Langem von einem freien Leben träumt, kann man nur die Daumen halten. Es gab schon einmal ein System, das einen Geburtstag opulent feierte und dabei überhörte, dass die Bevölkerun­g vor dem Festsaal laut nach Veränderun­g schrie. Die Ddr-führung wurde weggespült vom Freiheitsw­illen des Volkes, der den Frust über Mängel, die Angst vor diesen von Macht berauschte­n, korrupten und lügenden Mächtigen verdrängte. Auch für das Regime in Teheran könnte schon die Uhr ticken.

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