Wachstum neu denken
Der Risikobericht des Weltwirtschaftsforums stellt Klimakrise weit über Wirtschaftskonflikte. Die Machthaber in Davos müssen kapieren, dass es nur einen Globus gibt.
In der verunsicherten Welt sind Turbulenzen die neue Normalität. Ein geopolitischer und globalwirtschaftlicher Nebel mit noch mehr zu erwartenden Konfliktherden verstellt die Sicht. Aber wir können nicht warten, bis der Nebel sich hebt. Klima und Arten, das Leben auf dem Globus schlechthin, sind den größten Risiken ausgesetzt. Sinngemäß fasste so Børge Brende, der Präsident des World Economic Forum, am Mittwoch den alarmierenden Weltrisikobericht des WEF zusammen. In abgewogeneren Worten nur, als vor genau einem Jahr Greta Thunberg es beim Weltwirtschaftsforum in Davos formuliert hatte: „Ich will, dass ihr in Panik gerät. Das gemeinsame Haus Erde steht in Flammen.“
Verstörend ist der radikale Paradigmenwechsel in der Bedrohungseinschätzung. Erstens, dass dräuende Langzeitrisiken von Klimakatastrophen bis Verlust der Biodiversität atemberaubend an vernichtender Dynamik zulegen. Zweitens, dass bei den zehn größten Risiken der nächsten Dekade Drohpotenziale für die Weltwirtschaft erstmals hintanstehen.
Das erscheint wie ein Widerspruch in sich, weil gerade die auf Ressourcenverbrauch und Klimabeeinträchtigung ausgerichteten Produktionsweisen und das Konsumverhalten für die globale Risikolage hauptverantwortlich zeichnen. Beim WEF geht man daher über den alljährlichen Dialog-appell für mehr Zusammenarbeit hinaus und urgiert eindringlich ein neues Wachstums-paradigma. Wie vor 50 Jahren ist es der Club of Rome, dessen Co-präsidentin Sandrine Dixson-declève fordert: „Wir brauchen ein neues Wirtschafts-, Sozial- und Finanzsystem.“Und das sofort.
Es ist aber nicht überrumpelnd neu, dass dem Klima und Pflanzen, Meeren und Böden, Mensch und Tier zuliebe Wirtschaften und Konsum bedacht auf Resilienz und Respekt vor Natur und Humanem zielen sollten. Begriffen wie Stakeholder und Nachhaltigkeit haben sich schon 196 Länder der Welt verpflichtet. Doch in welchen Staaten sind die signierten 17 Sustainable Development Goals (SDG) – die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen – in breites Wissen und Bewusstsein gesickert?
Die EU sagt den „Green Deal“an. Selbst bei den CEOS der 200 größten Us-konzerne von Apple bis General Motors ging im Vorjahr ein Ruck durch die Reihen. Bei einem Gipfel bekannten sich die Manager, neben Shareholder Value auch Nachhaltigkeit als Ziel eines resilienten, ressourcenschonenden Wachstums aufzunehmen. as aber fehlt, sind die Taten, die den Bekenntnissen der Staats- und der Konzernmächte folgen sollen. Vielmehr wird laut Risikobericht auch noch befürchtet, dass sich 2020 die Gefahrenlage bei politischen Konflikten und Handelskriegen noch zu verschärfen droht. Die Konfrontationen dürfen beim fokussierten Blick auf das Klima nicht wie bei einem blinden Fleck übersehen werden. Der eine, einzige Globus ist umfassend zu behüten. Von jedem, voran den Machthabern.
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