Fünf für ein „vernünftiges Europa“
Kaum Kanzler, sucht Sebastian Kurz die Vermittlerrolle an der Bruchstelle zwischen Ost- und Westeuropa. In Prag traf er die Regierungschefs der vier Visegrád-staaten.
Eigentlich hätte das Treffen zwischen den Regierungschefs der vier Visegrád-saaten und dem österreichischen Bundeskanzler schon im Sommer stattfinden sollen. Der Ibiza-skandal machte den Plan zunichte. Kaum aber war die neue Regierung angelobt, machte sich das Büro von Sebastian Kurz daran, das Versäumte nachzuholen. Wenige Tage nach dem Antrittsbesuch in Brüssel trafen sich am Donnerstag die Regierungschefs Ungarns, der Slowakei, Polens, der Tschechischen Republik und Österreichs in Prag, um mit Kurz die wichtigsten europäischen Fragen zu bereden.
„Reasonable Europe“steht auf dem Plakat, das eigens für das Treffen im massiven Museumsbau am oberen Ende des Wenzelsplatzes aufgestellt worden war. Die vier, gefürchtet wegen manch erbitterter Opposition gegen Pläne der Eukommission, warten schon auf den Gast aus Österreich. Ein Tischchen für das Gästebuch steht bereit und Blumen liegen da. Alle fünf werden nach dem Gruppenfoto gemeinsam an der Stelle eine Gedenkminute einlegen, wo sich der Student und Gegner des Kp-regimes Jan Palach vor 51 Jahren angezündet hat.
Dann drängt die Gegenwart in den Vordergrund. „Unser Schlüsselpartner“, spricht der tschechische Gastgeber Andrej Babiˇs Kurz an, und „unseren Freund“. Kurz hat eine Sonderstellung hier, weil er wiederholt Verständnis geäußert hat für die Position der Visegrád-staaten, wenn es um Migrationspolitik ging. Auch diesmal kommt er als „Brückenbauer“, ein Wort, das Kurz für seine Vermittlungsmission gern verwendet.
nur um Migration gehen, auch wenn das Thema nach wie vor dominant ist und die fünf Regierungschefs am stärksten verbindet. Der Vorschlag der Eukommission, das Ende des Kohlebaus mit Milliardenzahlungen zu ermöglichen, drängt sich dieser Tage in den Vordergrund. Polen soll 25 Prozent dieser Mittel bekommen. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki nennt das Angebot gut, auch Babiˇs deutet Zustimmung an. Peter Pellegrini, der aus der Slowakei angereist ist, wendet ein, in seinem Land könnten die Öko-reformen länger dauern, auch teurer werden. Österreich, das von den Mitteln nichts zu erwarten hat, da bei uns keine Kohle mehr abgebaut wird, formuliert nur eine Bedingung: Im Abtausch gegen die Kohle dürften keine Atomkraftwerke gefördert werden.
Ein paar verstreute Demonstranten hatten sich schon am
aus tschechischen Atomkraftwerken decke. Die Tschechen wollen den Anteil der Atomkraft an ihrem Energiemix weiter erhöhen. Diesbezüglich sei man eben unterschiedlicher Ansicht, relativierte Babiˇs.
Doch das Gemeinsame überwiegt an diesem Tag. „Die Quoten sind vom Tisch“, sagt Babiˇs nach ihrem Treffen und meint die Idee der vorhergehenden Kommission, Flüchtlinge nach Länderquoten über ganz Europa zu verteilen. Die Visegrádstaaten waren dagegen vehement aufgetreten und lehnen, ebenso wie Kurz, den Gedanken bis heute ab. Offiziell hat die EU von der Idee zwar nie Abschied genommen, de facto aber kann sie als gescheitert gelten.
Im März soll das neue Konzept zur Migration vorgestellt werden und es dürfte sich an jenes anlehnen, das Österreich schon während der Ratspräsidentschaft ins Spiel gebracht hatte: Jedes Land leistet seinen Beitrag, aber er muss nicht in der Aufnahme von Flüchtlingen bestehen. Bei einem solchen Plan könnten auch die Visegrád-staaten mitziehen. Ein großer Stolperstein, der die osteuropäischen Staaten von der übrigen EU getrennt hat, wäre damit beseitigt.
Dissens herrscht hingegen unter den fünf Partnern hinsichtlich des Eu-budgets. Der Finanzrahmen 2021 bis 2027 muss ausverhandelt werden. Nettozahler wie Österreich und andere wollen den Ausfall, der durch den Austritt der Briten entsteht, nicht durch Beitragserhöhungen kompensieren. Die Osteuropäer wissen, was das bedeuten würde: Kürzungen bei den ihnen zugutekommenden Transferzahlungen, vor allem für die Landwirtschaft. Also sind sie einerseits für Beitragserhöhungen, andererseits für Kürzungen in Bereichen, die sie nicht direkt betreffen. Mehrmals wird der Gedanke ventiliert, in der Verwaltung wären Milliarden einzusparen.
Dann raste die Delegation zurück nach Österreich, als gelte es, die Dringlichkeit des Wunsches des tschechischen Premiers am eigenen Leib zu spüren: Bauen wir endlich die Autobahnverbindungen fertig.