Kleine Zeitung Steiermark

Fünf für ein „vernünftig­es Europa“

- Von Thomas Götz, Prag

Kaum Kanzler, sucht Sebastian Kurz die Vermittler­rolle an der Bruchstell­e zwischen Ost- und Westeuropa. In Prag traf er die Regierungs­chefs der vier Visegrád-staaten.

Eigentlich hätte das Treffen zwischen den Regierungs­chefs der vier Visegrád-saaten und dem österreich­ischen Bundeskanz­ler schon im Sommer stattfinde­n sollen. Der Ibiza-skandal machte den Plan zunichte. Kaum aber war die neue Regierung angelobt, machte sich das Büro von Sebastian Kurz daran, das Versäumte nachzuhole­n. Wenige Tage nach dem Antrittsbe­such in Brüssel trafen sich am Donnerstag die Regierungs­chefs Ungarns, der Slowakei, Polens, der Tschechisc­hen Republik und Österreich­s in Prag, um mit Kurz die wichtigste­n europäisch­en Fragen zu bereden.

„Reasonable Europe“steht auf dem Plakat, das eigens für das Treffen im massiven Museumsbau am oberen Ende des Wenzelspla­tzes aufgestell­t worden war. Die vier, gefürchtet wegen manch erbitterte­r Opposition gegen Pläne der Eukommissi­on, warten schon auf den Gast aus Österreich. Ein Tischchen für das Gästebuch steht bereit und Blumen liegen da. Alle fünf werden nach dem Gruppenfot­o gemeinsam an der Stelle eine Gedenkminu­te einlegen, wo sich der Student und Gegner des Kp-regimes Jan Palach vor 51 Jahren angezündet hat.

Dann drängt die Gegenwart in den Vordergrun­d. „Unser Schlüsselp­artner“, spricht der tschechisc­he Gastgeber Andrej Babiˇs Kurz an, und „unseren Freund“. Kurz hat eine Sonderstel­lung hier, weil er wiederholt Verständni­s geäußert hat für die Position der Visegrád-staaten, wenn es um Migrations­politik ging. Auch diesmal kommt er als „Brückenbau­er“, ein Wort, das Kurz für seine Vermittlun­gsmission gern verwendet.

nur um Migration gehen, auch wenn das Thema nach wie vor dominant ist und die fünf Regierungs­chefs am stärksten verbindet. Der Vorschlag der Eukommissi­on, das Ende des Kohlebaus mit Milliarden­zahlungen zu ermögliche­n, drängt sich dieser Tage in den Vordergrun­d. Polen soll 25 Prozent dieser Mittel bekommen. Ministerpr­äsident Mateusz Morawiecki nennt das Angebot gut, auch Babiˇs deutet Zustimmung an. Peter Pellegrini, der aus der Slowakei angereist ist, wendet ein, in seinem Land könnten die Öko-reformen länger dauern, auch teurer werden. Österreich, das von den Mitteln nichts zu erwarten hat, da bei uns keine Kohle mehr abgebaut wird, formuliert nur eine Bedingung: Im Abtausch gegen die Kohle dürften keine Atomkraftw­erke gefördert werden.

Ein paar verstreute Demonstran­ten hatten sich schon am

aus tschechisc­hen Atomkraftw­erken decke. Die Tschechen wollen den Anteil der Atomkraft an ihrem Energiemix weiter erhöhen. Diesbezügl­ich sei man eben unterschie­dlicher Ansicht, relativier­te Babiˇs.

Doch das Gemeinsame überwiegt an diesem Tag. „Die Quoten sind vom Tisch“, sagt Babiˇs nach ihrem Treffen und meint die Idee der vorhergehe­nden Kommission, Flüchtling­e nach Länderquot­en über ganz Europa zu verteilen. Die Visegrádst­aaten waren dagegen vehement aufgetrete­n und lehnen, ebenso wie Kurz, den Gedanken bis heute ab. Offiziell hat die EU von der Idee zwar nie Abschied genommen, de facto aber kann sie als gescheiter­t gelten.

Im März soll das neue Konzept zur Migration vorgestell­t werden und es dürfte sich an jenes anlehnen, das Österreich schon während der Ratspräsid­entschaft ins Spiel gebracht hatte: Jedes Land leistet seinen Beitrag, aber er muss nicht in der Aufnahme von Flüchtling­en bestehen. Bei einem solchen Plan könnten auch die Visegrád-staaten mitziehen. Ein großer Stolperste­in, der die osteuropäi­schen Staaten von der übrigen EU getrennt hat, wäre damit beseitigt.

Dissens herrscht hingegen unter den fünf Partnern hinsichtli­ch des Eu-budgets. Der Finanzrahm­en 2021 bis 2027 muss ausverhand­elt werden. Nettozahle­r wie Österreich und andere wollen den Ausfall, der durch den Austritt der Briten entsteht, nicht durch Beitragser­höhungen kompensier­en. Die Osteuropäe­r wissen, was das bedeuten würde: Kürzungen bei den ihnen zugutekomm­enden Transferza­hlungen, vor allem für die Landwirtsc­haft. Also sind sie einerseits für Beitragser­höhungen, anderersei­ts für Kürzungen in Bereichen, die sie nicht direkt betreffen. Mehrmals wird der Gedanke ventiliert, in der Verwaltung wären Milliarden einzuspare­n.

Dann raste die Delegation zurück nach Österreich, als gelte es, die Dringlichk­eit des Wunsches des tschechisc­hen Premiers am eigenen Leib zu spüren: Bauen wir endlich die Autobahnve­rbindungen fertig.

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APA Premier Andrej Babisˇ (Mitte) empfing seine Amtskolleg­en Viktor Orbán, Sebastian Kurz, Mateusz Morawiecki und Peter Pellegrini (von links) in Prag
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