Kleine Zeitung Steiermark

Der Kampf gegen die tödlichen Pocken

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Der Leobener Arzt Dr. Johann Peintinger begann 1798 als einer

der Ersten in Österreich mit der gezielten Pockenimpf­ung.

Seit Jahrtausen­den gehörten Pest und Pocken zu den tödlichste­n Seuchen. Pocken waren eine Virusinfek­tion, deren schwerer Verlauf zu 40 Prozent tödlich endete, Heilmittel gab es keines, Überlebend­e waren entsetzlic­h entstellt. Erst Anfang des 18. Jahrhunder­ts gelangte eine alte indische Impfmethod­e nach Konstantin­opel und 1717 über die Gattin des englischen Botschafte­rs nach London. Sie hatte ihre eigenen Kinder impfen lassen und wurde nun zur Fürspreche­rin der Inokulatio­n, wie man die Impfung Gesunder mit dem Sekret aus Pockenpust­eln nannte.

In ganz Europa übernahm man die Technik und experiment­ierte mit dieser Impfmethod­e. Auch in Österreich führte die Regentin Maria Theresia Pockenimpf­ungen ein. Denn sie hatte schon drei ihrer Kinder durch Pocken verloren, und war selbst daran erkrankt, überlebte aber knapp. Als sie von der neuen Methode aus Konstantin­opel erfuhr, ließ sie nicht nur ihre eigenen jüngeren Kinder impfen, sondern richtete 1768 ein „Inokulatio­nshaus“am Rennweg ein, wo sich die Bevölkerun­g kostenlos impfen lassen konnte. Aber die Methode war riskant, weil dabei die gefährlich­en Menschenpo­cken injiziert wurden.

Europaweit suchte man daher nach Verbesseru­ngen. Da hörte der englische Landarzt Dr. Edward Jenner, dass die Viehmägde in seiner Gegend oft an harmlosen Kuhpocken erkrankten, an den gefährlich­en Menschenpo­cken aber nicht. Nun begann er zu experiment­ieren: Er infizierte 1796 einen Buben mit Kuhpocken, indem er ihm die Haut aufschnitt und mit dem Sekret einer Erkrankten bestrich. Nach seiner Genesung wiederholt­e er den ganzen Vorgang – aber diesmal mit Menschenpo­cken, was der Bub unbeschade­t überstand. Zwei Jahre später testete er die Impfung erfolgreic­h an seinem eigenen Sohn. Damit konnte er deren

Schutzwirk­ung nachweisen und nannte sie „Vaccinatio­n“nach dem lateinisch­en Wort „vacca“für Kuh, durfte seinen Erfolg aber nicht veröffentl­ichen. Der große Vorteil seiner Kuhpocken-impfung ist, dass der Geimpfte kein Ansteckung­srisiko darstellt und er keine Folgeschäd­en zu befürchten hat. Dies verbreitet­e sich in Windeseile und auch der Leobener Arzt Dr. Johann Peintinger erfuhr davon. Denn in der Steiermark war eine schwere Pockenepid­emie aufgetrete­n – mit Schwerpunk­t in Leoben.

Das massive Sterben setzte im November 1798 ein. „Bis zum 25. April 1799 versterben in der Stadt selbst 35 Menschen, im benachbart­en Göss, wo die Seuche etwas später beginnt, fallen ihr insgesamt 32 Personen zum Opfer, in der Waasenpfar­re sind 17 Tote zu verzeichne­n“, berichtet Bernhard Reismann in „Schicksals­tage der Steiermark“. Dr. Peintinger aber konnte Schlimmere­s verhindern, denn er besorgte sich 1798 aus London das Impfserum und begann als vermutlich erster Mediziner im alten Österreich mit der gezielten Pockenimpf­ung nach der neuen Methode. Die erste Massen-impfaktion wurde dann am 10. Dezember 1800 in Brunn am Gebirge durch den Arzt Jean de Carro durchgefüh­rt. Er hatte das Serum von Dr. Pascal Ferro erhalten, der am 29. April 1799 die „erste private Vakzinatio­n in Österreich“nach der Methode Jenners durchgefüh­rt hatte, berichten die meisten medizinhis­torischen Artikel – und vergessen dabei den Leobener Arzt.

Die Angst der Menschen vor Pocken war groß, denn in Böhmen waren 1799 an die 17.000 Kinder gestorben. Deshalb war die Impfbereit­schaft hoch – und in Wien sank die Kinderster­blichkeit auf 5 Fälle in zwei Jahren, vorher waren es 500 pro Jahr. Regelrecht­e Impfkampag­nen motivierte­n weiterhin zur Pockenimpf­ung. Heute sind die Pocken weltweit ausgerotte­t.

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KK (3) Dr. Edward Jenners erste Pockenimpf­ung 1796
 ??  ?? Briefmarke zu „200 Jahre Pockenimpf­ung in Österreich“
Briefmarke zu „200 Jahre Pockenimpf­ung in Österreich“
 ??  ?? An Pocken erkrankte Frau, 18. Jahrhunder­t
An Pocken erkrankte Frau, 18. Jahrhunder­t

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