Kleine Zeitung Steiermark

Oberhirte wider Plan

- Von Monika Schachner

Kardinal Christoph Schönborn feiert am Mittwoch seinen 75. Geburtstag. Ein Porträt über einen Kirchenman­n, dessen Leben immer wieder von Krisen gebeutelt wurde.

Haare und Augenbraue­n sind grau geworden, das Gesicht wirkt müde, die Augen sind jedoch lebhaft geblieben. Vor 25 Jahren ist Christoph Schönborn zum Erzbischof von Wien ernannt worden, gut zwei Jahre später zum Kardinal und seit 1998 ist er Vorsitzend­er der Österreich­ischen Bischofsko­nferenz. Doch das brachte den in Vorarlberg Aufgewachs­enen nicht nur viel Ehr. Stand und steht er doch damit an der Spitze einer Ortskirche, die heftige Krisen durchlebt hat.

Und das von Anfang an: Rom stellt ihn im April 1995 dem damaligen Erzbischof Hans Hermann Groër als Koadjutor zur Seite. Als sich die Vorwürfe gegen jenen, Burschen sexuell missbrauch­t zu haben, erhärten, wird Schönborn im September sein Nachfolger. Er selbst hält die Anschuldig­ungen anfänglich für eine Intrige, später kommt er jedoch gemeinsam mit den Bischöfen Johann Weber, Egon Kapellari und Georg Eder zu der „moralische­n Gewissheit“, dass die Vorwürfe „im Wesentlich­en zutreffen“. Später wird Schönborn erzählen, dass er Groër einmal darauf ansprach und jener für einen Moment seine Taten ins eigene Bewusstsei­n ließ.

Dem österreich­ischen

Kir

ist der Abgang Groërs zu wenig: Es pocht auf Reformen bei Zölibat, Frauen und wiederverh­eirateten Geschieden­en.

Der Kardinal weiß um die Wichtigkei­t der Tradition in der katholisch­en Kirche, doch lernte er in der eigenen

(adeligen) Familie auch die

Wechselfäl­le des Lebens kennen: Als Sudetendeu­tsche mussten die Schönborns 1945 aus der Tschechosl­owakei flüchten. Anfang der 1960er-jahre trennten sich seine Eltern.

Mit 18 Jahren entschließ­t sich Christoph dann dazu, in den Dominikane­rorden einzutrete­n. Doch die 68er-bewegung erfasst ihn auch hinter den Klostermau­ern. „Damals habe ich mit meinem Glauben gerungen und ein Jahr lang nicht gebetet.“Am Ende ist er sich sicher: Es ist Gott, dem er sein Leben widmen will. Der Dialog mit kirchenfer­nen Menschen bleibt ihm aber wichtig.

Zum Priester geweiht, steigt er die Karrierele­iter nach oben: Er wird Professor für Moraltheol­ogie an der Uni Fribourg. „Das war überhaupt nicht meine Lebensplan­ung“, erzählt er im Wiener „Sonntag“. 1987 wird er zum Sekretär des Weltkatech­ismus, 1991 erfolgt schließlic­h der Ruf nach Wien – anfänglich als Weihbischo­f, dann als Erzbischof.

Die folgenden zweieinhal­b Jahrzehnte sollten nicht nur für die österreich­ische Kirche herausford­ernde werden – etwa 2010, als zahlreiche Missbrauch­sfälle publik werden und Schönborn die „Klasnic-komchenvol­k mission“installier­t. Migration und Säkularisi­erung lassen in der Erzdiözese Wien die Katholiken­zahlen merklich zurückgehe­n. Die Konsequenz­en: die Weitergabe von Gotteshäus­ern an andere Konfession­en und die Zusammenle­gung von Pfarren – beides immer wieder zum Missfallen der Gemeinden.

Sein Denken und Tun verständli­ch und nachvollzi­ehbar zu machen, ist Schönborn durchaus ein Anliegen, auch wenn er manchmal ungeschick­t agiert, beispielsw­eise

im gesamten deutschspr­achigen Raum sorgt hingegen das Gespräch mit Doris Wagner vergangene­n Herbst im Br-fernsehen. Die ehemalige Nonne hatte in einem Buch über den erlittenen sexuellen und spirituell­en Missbrauch erzählt. Schönborns Antwort „Ich glaube Ihnen“ist dabei einer der berührends­ten Momente.

Der Wunsch, dieses bedrückend­e Thema aufzuarbei­ten, eint Schönborn auch mit Papst Franziskus. Für diesen präsentier­t er auch das aufsehen- und aufruhrerr­egende Schreiben „Amoris laetitia“, in dem in Einzelfäll­en und unter bestimmten Umständen die Zulassung Wiederverh­eirateter zur Kommunion erlaubt wird.

Schönborn selbst galt übrigens lange als „papabile“, als möglicher Kandidat für den Stuhl Petri. In letzter Zeit schloss er den Wechsel nach Rom, in welcher Funktion auch immer, aber dezidiert aus: Die österreich­ische Kirche hatte (zu) viel seiner Kraft gebraucht. Im Frühling 2019 ging er dann mit seiner Krebserkra­nkung an die Öffentlich­keit (sie gilt als geheilt). Vor Weihnachte­n die nächste gesundheit­liche Hiobsbotsc­haft: Schönborn hatte einen Lungeninfa­rkt erlitten.

Sein Gesuch an den Papst, sein Amt altersbedi­ngt niederlege­n zu dürfen, liegt bereits in Rom. Letzten Meldungen zufolge dürfte es erst 2021 so weit sein. Er selbst meint zu seinem Leben im „Sonntag“: „Ich glaube, ich bin ein glückliche­r Mensch, aber ich weiß: Das eigentlich­e Glück steht noch aus.“

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MONTAGE/JÜRGEN FUCHS Schönborns Lebensstat­ionen: Geburt in Böhmen, Kindheit in Vorarlberg, Studium in Bonn, Wien, Paris, Hochschuls­eelsorger in Graz, Theologiep­rofessor in Fribourg, Erzbischof in Wien Für viel positives Echo

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