Neue deutsche Rolle
Auf der Libyen-konferenz gibt Bundeskanzlerin Angela Merkel die ehrliche Vermittlerin – und zeichnet einen Weg für die künftige Außenpolitik Deutschlands.
Das Lob kam von ganz oben. „Ich möchte Ihnen meinen tief empfundenen Dank aussprechen“, würdigte Un-generalsekretär António Guterres die Bemühungen Angela Merkels auf der Berliner Libyen-konferenz. Die Kanzlerin gab sich zurückhaltend: „Wir wissen, dass wir mit dem heutigen Tag nicht alle Probleme in Libyen lösen konnten.“
Aber immerhin einige. Seit 2011 tobt ein Bürgerkrieg in Libyen. Zum ersten Mal hatte Merkel im Berliner Kanzleramt die wichtigsten Konfliktparteien im Ringen um die Macht in dem nordafrikanischen Öl-land um einen Tisch versammelt, von Russlands Präsident Wladimir Putin, dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdog˘an über Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bis hin zu den Bürgerkriegsparteien, dem von der UN anerkannten Fajes al-sarradsch bis zum Rebellenführer Chalifa Haftar. Die Lage ist unübersichtlich, nicht nur in Libyen, auch innerhalb der EU. Deutschland hat in der Region noch am wenigsten Interessen.
Geopolitik war lange ein Unwort in Deutschland. Im Kalten Krieg war die Sache einfach.
Außenpolitik wurde von den USA gemacht. Nun zieht sich die Führungsmacht zurück und Merkel gibt die Verteidigerin der liberalen Weltordnung.
Spätestens der Syrien-konflikt hat das Land umdenken lassen. In einer globalisierten Welt gibt es keine entlegenen Regionen mehr, jeder Konflikt schrumpft zur Weltinnenpolitik. Deutschland fürchtet ein zweites Syrien und eine neue Flüchtlingswelle. Auch deshalb schaltete sich die Kanzlerin ein.
Doch ein Waffenstillstand zwischen den Bürgerkriegsparteien wird ein langwieriger Prozess. Merkel kennt das. Schon einmal hat sie entscheidend vermittelt. 2014 im Krim-konflikt zwischen der Ukraine und Russland. Auch damals zeigte sich die EU uneinig – und die USA nicht willens zu vermitteln. So musste die Kanzlerin ran. Es kam der Minsk-prozess und ein heißer Frieden. Bis heute dauern die Kämpfe in der Ukraine an. Bis heute vermittelt Merkel.
Lange war in Europa mit Blick auf Berlin vom „zögerlichen Hegemon“die Rede. Nun gefällt sich Merkel in einer neuen Rolle. Die Kanzlerin, die Europa oft spaltete, will nun zusammenführen und gibt mit der Libyen-konferenz eine Vorahnung auf die deutsche Eu-ratspräsidentschaft in den letzten sechs Monaten dieses Jahres.
Das 15. Jahr ihrer Amtszeit gibt Merkel das nötige Standing, Deutschlands Wirtschaft den politischen Hebel. Doch bleibt die neue Rolle schwierig. Die Kultur der militärischen Zurückhaltung – Deutschland hat sich 2011 nicht an den Luftschlägen in Libyen beteiligt – ist tief verankert im Land. Schon gibt es innenpolitische Debatten über eine deutsche Beteiligung an einer internationalen Mission zur Überwachung des Waffenstillstands in Libyen. reißig Jahre nach dem Fall der Mauer versucht Deutschland, sich außenpolitisch neu zu finden. Als neue Ordnungsmacht. Weniger im Sinne von Großmannssucht denn als ehrlicher Makler.
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