Die Köpfe stecken tief im Sand
Eine in Australien lebende Grazerin berichtet: Viele verdrängen, dass ihr Land Feuer fing.
Die Sommersonne glänzt am wolkenlosen Himmel. Weiße Jachten schaukeln in der warmen Brise auf ozeanblauem Hafenwasser. Ich befinde mich in Sydney, Australien. Nichts hier erinnert an die todbringenden Feuer, die nur wenige Hundert Kilometer entfernt wüteten. Nichts lässt an Gegenden denken, in denen der Regen Hagelschauer, Überschwemmungen und Schlammrutsche brachte. Ich bin in Sydney, wo der Wind gerade günstig steht.
Wenn er dreht, bringt er den Rauch der Buschfeuer mit sich. Er löst Feueralarme in eleganten Häusern und Apartmentblocks aus. Manchmal weckt mich nachts durchdringender Brandgeruch. Manchmal sind die Oper und die legendären Surferstrände in Weltuntergangsgrau gehüllt, während unbeeindruckte asiatische Touristen weiter vor Sehenswürdigkeiten für Selfies posieren.
Man könnte meinen, dass der fünfte Monat der bisher großflächigsten Waldbrandsaison ausreichend Grund für eine Massenpanik gibt. Direkt vor den Toren der Stadt befinden sich die Blue Mountains, in denen ich – wie viele andere „Sydneysider“– gerne und oft wanderte. In den letzten Monaten haben sich 80 Prozent der Welt
in ascheschwarze Baumskelette verwandelt. In New South Wales, wo über ein Drittel aller Australier lebt, wurden 2000 Häuser beschädigt oder zerstört. Aufs Land gerechnet ist seit September eine Fläche niedergebrannt, die 1,5 Mal so groß ist wie Österreich. 28 Menschen starben. Fast 500 Millionen Tiere verendeten – noch einmal so viele werden sterben, weil ihr Lebensraum verbrannt ist.
Nicht jeder sieht das so dramatisch. Der notorisch kohlefreundliche Premierminister Scott Morrison legte eine konsequente Kopf-in-den-sandpolitik an den Tag: Im Dezember postete „Scomo“schamlos Fotos vom Familienurlaub auf
Hawaii in sozialen Medien. Zu Neujahr sprach er sich dafür aus, das von der Stadt Sydney organisierte Silvesterfeuerwerk auf keinen Fall abzusagen – als Zeichen des „Optimismus“. Dass Einnahmen von umgerechnet 80 Millionen Euro erwartet wurden, könnte eine Rolle gespielt haben. In einem Ort im benachbarten Bundesstaat Victoria mussten am gleichen Abend 4000 Menschen an den Strand flüchten. Die Feuer hatten sämtliche Zufahrtsstraßen abgeschnitten. Dass die Waldbrände (zumindest teilweise) auf die Klimakrise zurückzuführen sind, hat Morrison mittlerweile offiziell akzeptiert. Auf grünere Politik setzt er trotzdem nicht. Australiens Wirtschaft hängt stark an Kohnaturerbe-regenwälder leindustrie und -export. Ein Wandel, weg von natürlichen Ressourcen, würde Hunderttausende Arbeitsplätze kosten.
Wie sieht das Leben in Sydney aus? Nach den ersten Wochen, wo uns jeder verrauchte Nachmittag wie das Ende der Welt erschien, wo die Sonne immer noch manchmal blutrot durch die Rauchschwaden glimmt, ist schon längst wieder der Alltag eingekehrt. Kaum jemand trägt Atemmasken. Joggen im Park, Grillfeiern und Strandtage werden auch genossen, wenn der Luftqualitätsindex auf „gefährlich“steht. Es wird über die Feuer berichtet – aber lange nicht in jenem Ausmaß, in dem Medien in Europa das tun. Einzelne Unternehmen bitten um Spenden, nach physischer Hilfe wird kaum verlangt.
Können freiwillige Helfer tatsächlich nichts ausrichten oder fehlt es an einer Schaltzentrale, die uns sagt, was wir tun, wie wir unseren Beitrag leisten können? Die Australier lieben ihr Land, keine Frage. Die Realität des Klimawandels dringt indes trotz Massendemonstrationen in Sydney, Melbourne und Brisbane erst langsam zur Bevölkerung durch. Wird sich das Land organisieren und geschlossen für eine grünere Politik kämpfen oder setzt es seine Hoffnung auf eine Regierung, die brennende Probleme besser löst?