Richter: „Lasse ihn von der Polizei vorführen“
Sommersbergsee: Richter wollte Polizei aktivieren, Arzt winkte im letzten Moment ab.
Mit einem Knalleffekt hat der Prozess in der Causa Sommersbergsee am Landesgericht Leoben begonnen. Schon zum dritten Mal versucht das Gericht, die Verhandlung zu starten. Jedes Mal war einer der Beschuldigten aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage dazu. Diesmal sollte nichts dem Zufall überlassen werden: Zwar war ein im 60. Lebensjahr stehender Ausseer Landwirt nicht zugegen – er wurde vom Gericht für verhandlungsunfähig eingestuft. Für die Abwesenheit eines weiteren Angeklagten hatte Richter Richard Gollner aber null Verständnis. „Wo ist Herr ...?“, fragte er dessen Rechtsvertreter. Bei dem Beschuldigten handelt es sich um einen im 71. Lebensjahr stehenden Geschäftsmann.
„Im Spital. Er hat einen Leistenbruch und soll operiert werden“, lautete die Antwort. Darauf war Richter Gollner vorbereitet. „Hier habe ich ein Gutachten, dass der Leistenbruch kein Vorbehalt ist, um nicht zu erscheinen“, zitierte er einen Mediziner. „Sie rufen ihren Mandanten an und sagen ihm, er soll sofort kommen, oder ich lasse ihn von der Polizei vorführen!“
Die Anwälte eilten aus dem Saal und kamen mit folgender Botschaft zurück: „Wir haben unseren Mandanten erreicht, aber er wird schon auf die Operation vorbereitet, bekommt Schmerzmittel und kann nicht kommen.“
Darauf wollte sich Gollner nicht verlassen. Er unterbrach die Verhandlung und erkundigte sich selbst im Spital. Nach 20 Minuten kam er zurück. „Okay, die Operationsvorbereitungen laufen, es ist wirklich von Verhandlungsunfähigkeit auszugehen.“Nachsatz: „Für heute.“
In dem Verfahren werden diverse Zwischenfälle beim Sommersbergsee in Bad Aussee aufgearbeitet. Dort wurden zahlreiche Gäste am Zutritt gehindert – Nötigung, Diebstahl und Körperverletzung stehen im Raum, ebenso wie sexuelle Belästigung. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Christian Huemer