Neuer Wirbel um Asbest in Frohnleiten
Wurde in Frohnleiten über Jahre viel mehr Asbest deponiert als behördlich bewilligt? Prüfberichte legen Mängel nahe, Konsequenzen hat es offenbar niemals gegeben. Der Wirbel ist groß und erreicht nun den Landtag.
Die Aufregung war enorm, als im Juni 2018 ein anonymes Schreiben über mutmaßliche Missstände auf der Abfalldeponie Frohnleiten auftauchte. Demnach sei dort jahrelang in Massen giftiger Asbest unsachgemäß gelagert worden, Fotos zeigten bergeweise teils aufgeplatzte Säcke, die den Problemstoff enthalten haben sollen (wir berichteten). Erst drei Tagen später schickte das Land eine Sachverständige auf die Deponie, deren gezogene Proben sich am Ende als unbedenklich erwiesen. Ganz konnten die Zweifel aber nie ausgeräumt werden, Gerüchte machten die
Runde, der Asbest sei vor der Kontrolle vergraben worden.
Jetzt ist die Diskussion um ein Kapitel reicher – und dieses dürfte es in sich haben. Nach Unterlagen, die der Kleinen Zeitung vorliegen, wurde in Frohnleiten über die Jahre tatsächlich viel mehr Asbest eingelagert, als im Bescheid festgehalten ist. Zudem wurden immer wieder Mängel und Verstöße bei der Art der Lagerung festgestellt.
Auf Landesebene ist die FPÖ per schriftlicher Anfrage an die Landesräte Hans Seitinger (Abfall) und Ursula Lackner (Umwelt) bereits auf die Causa aufgesprungen. Erste Konsequenz des Wirbels: Der Leiter der Eingangskontrolle der Deponie wurde diese Woche von seinem
Posten abgezogen. In einem Schreiben, das vor wenigen Tagen von der zuständigen Landesabteilung an die Deponieleitung ging, heißt es, dass es dem Mitarbeiter „formal gesehen“an einem „Nachweis der Fachkunde“im Sinne vorgeschriebener Bestimmungen mangle.
Immerhin gelten für krebserregende Asbestabfälle auf Deponien strenge Richtlinien. Sie dürfen nur in behördlich genehmigte, eigens abgetrennte Kompartiments eingebracht werden und müssen noch am selben Tag der Ablagerung mit einer Deckschicht überzogen werden.
Seit 2013 verfügte die Deponie Frohnleiten zwar über die bescheidgemäße Genehmigung, 14.000 Kubikmeter des gefährlichen, für Deponien aber eben auch lukrativen Asbests derart zu versorgen. Doch wie aus den jährlich anzufertigenden Berichten der Deponieaufsicht hervorgeht, wurde diese Menge schon allein in den beiden Jahren 2015 und 2016 um rund die Hälfte überschritten. Demnach wurden 2015 auf der Deponie 11.065 und 2016 11.345 Kubikmeter Asbest angeliefert. Bis Herbst 2017, kurz bevor die erlaubte Kubatur behördlich per Bescheid auf 64.000 Kubikmeter erhöht wurde, hatte sich der Asbestabfall auf der Deponie auf ein Mehrfaches der ursprünglich genehmigten Menge angehäuft. Die Zahlen decken sich auch weitgehend mit den Daten
aus dem elektronischen Meldesystem, in das alle Deponien regelmäßig die Abfallmengen einfließen lassen müssen. Ein Einschreiten der Behörde gab es offenbar nicht.
Im Hintergrund wird nun um die juristische Frage gerungen, inwieweit die deponierten Mengen – zumindest rechtlich – dennoch zulässig gewesen sein könnten. Sollte dies der Fall sein, werde sich die Aufregung freilich kaum legen, berichten Insider – eher im Gegenteil. Denn das würde letztlich bedeuten, dass Deponien mit grundsätzlicher Asbestbewilligung schon allein durch eine Anzeige bei der Behörde das Recht hätten, mehr Asbestma
zu deponieren, als in einem Bescheid festgehalten ist.
Tatsächlich heißt es seitens der zuständigen Landesabteilung auf Anfrage, dass zur Ablagerung zusätzlicher Asbestmengen ein abfallrechtliches Anzeigeverfahren genüge. Vorausgesetzt, der Gesamtumfang der Deponie bleibe unverändert. „Bei der Deponie Frohnleiten wurde vom Vorliegen dieser Voraussetzungen ausgegangen“, heißt es beim Land. Doch auch eine entsprechende Anzeige ist laut Informationen der Kleinen Zeitung formell erst im Rahmen einer Umweltinspektion 2017 erfolgt.
In den Berichten wird zudem gleich mehrfach angemerkt, dass im Asbestkompartiment die tagesaktuell vorgeschriebene Abdeckung mitunter unterblieben ist. So heißt es zwar im „Jahresbericht 2018“, der im Mai des Vorjahres vorgelegt wurde, dass „die tägliche Abdeckung mit Bodenaushubmaterialien seit Juni gewissenhaft durchgeführt“werde. Jedoch: „Zuvor wurde dies nicht immer so gemacht und diese damalige Praxis wurde, so wie auch in den Jahren zuvor, vom Verfasser wiederholt beanstandet.“
Die politische Anfrage an die Landesräte bohrt nun nach, ob durch eine „unsachgemäße Lagerung von Asbestabfällen“nicht auch eine Gefährdung der Bevölkerung in und um Frohnleiten bestehen könnte. Mittlerweile rauchen bei allen Verantterial wortlichen die Köpfe, der Erklärungsbedarf ist hoch.
Die Deponiegesellschaft ABEZ (Abfall-behandlungsund Entsorgungszentrum) ist seit dem Vorjahr kein Gemeindebetrieb gewerblicher Art mehr, sondern wurde in eine Gmbh umgewandelt. Auch weil mittelfristig ein strategischer Partner als Gesellschafter an Bord geholt werden soll. Die neu gegründete Gmbh wurde auch mit einem Aufsichtsrat ausgestattet, dem seit einigen Monaten der Unternehmer und Stadtrat Hermann Talowski vorsitzt. Mit den Entwicklungen konfrontiert, betont er im Gespräch mit der Kleinen Zeitung: „Die Sachverhalte werden im Detail geprüft, wir setzen uns auch mit dieser Landtagsanfrage genau auseinander, wir wollen volle Transparenz.“
Bewahrheiten sich die Vorwürfe, „können wir nicht zur Tagesordnung übergehen“. Es gehe darum, „Schaden von den Bürgern Frohnleitens und vom Unternehmen abzuwenden“, so Talowski. In „letzter Konsequenz, also wenn sich zeigen sollte, dass ein transparenter und ordnungsgemäßer Umgang mit den Asbestabfällen nicht sichergestellt werden kann, müssen wir reagieren – und nach dem Auslaufen bestehender Verträge keine Asbestabfälle mehr annehmen. Dann muss die Deponie asbestfrei werden.“Er zähle auch „auf die Unterstützung“der Bevölkerung.