Krieg und noch mehr Frieden
Das Künstlertrio Total Refusal wird mit dem Preis für den besten Diagonale-kurzdokumentarfilm ausgezeichnet.
Der Dokumentarfilm „How to Disappear“sucht an einem der unwahrscheinlichsten Orte nach Frieden: auf den Schlachtfeldern eines Onlinekriegsspiels. Inmitten hyperrealer Grafik des Ego-shooters „Battlefield V“wird auf kluge und originäre Weise eine Geschichte über Fahnenflucht erzählt.
Bei der Berlinale feierte das Künstlertrio Total Refusal mit diesem Antikriegsfilm die Weltpremiere, die Österreichpremiere bei der Diagonale fiel coronabedingt aus. Nun erhalten der Kulturanthropologe Robin Klengel, der Doktorand der Cultural Studies Leonhard Müllner und Philosoph Michael Stumpf dafür den Diagonalepreis Kurzdokumentarfilm, dotiert mit 4000 Euro und gestiftet von der Diözese Grazseckau/kulturzentrum Minoriten. „Mit Feingefühl für Ironie und Poesie, aus einer Perspektive von außen und zugleich aus der Mitte des Geschehens fragt der Film nach Formen des Widerstands und der Disziplin in unterschiedlichen Räumen. Eine weibliche Stimme kommentiert und
Leonhard Müllner,
Michael Stumpf,
Total Refusal:
durchbricht dabei die männlichen Spielwelten“, heißt es in der Jurybegründung. 2018 in Graz „als pseudomarxistische Medienguerilla“gegründet, ist es nach dem Förderungspreis für zeitgenössische bildende Kunst bei den Landeskulturpreisen bereits die zweite Auszeichnung. „Preise sind, nachvollziehbar, eine große Ermutigung und eine Explosion an Freude“, sagt Leonhard Müller. K ann man sich dem Kampf in einem Spiel verweigern? Dieser Frage geht der Film nach, indem er das Kriegsspiel zur Folie erklärt, um politische, philosophische und soziologische Fragen des Desertierens zu verhandeln. „Wir haben uns nicht als Spieler eingebracht, sondern als Beobachter.“So hebeln die drei die Systematik und Mechanik von Video
spielen aus, eignen sie sich künstlerisch an und platzieren eigene Inhalte. „Somit wird Total Refusal zu einem pazifistischen Statement, angewandt mit kriegerischen Mitteln. Alle Arbeiten entstehen durch eine kritische Liebe zum Medium“, heißt es im Selbstverständnis.
„Wir sind quarantänesicher, wir arbeiten meistens online“, sagt Müller. Bei dieser Arbeit schaltete er sich von Kronstadt auf der Ostseeinsel Kotlin, bis 1996 militärisches Sperrgebiet, zu, wo er damals ein Stipendium hatte.
Von Moskau bis New York wäre die 21 Minuten lange Kurzdoku auf vielen Festivals gelaufen, in diversen Onlineausgaben ist sie dabei, am 28. Mai ist sie beim Wiener Kurzfilmfestival VIS zu streamen.