„Wir brennen darauf, wieder zu spielen“
Eröffnet wird die neue Saison mit Calderón de la Barcas 1635 uraufgeführtem Versdrama „Das Leben ist ein Traum“unter der Regie von Kuˇsej. 1992, „am Beginn meiner Karriere“, habe er Grillparzers Parallelstück in Graz inszeniert. Im Zentrum stünden dabei „das Individuum und der menschliche Körper als Manövriermasse“für politisches Handeln und Manipulation. „Wo finden wir verwaltete Körper und wo ihre unverwaltbaren, widerständigen Impulse? Wer besitzt Verfügungsmacht über die Körper?“
Die Frage des politischen Zugriffs auf Körper zieht sich „wie eine Überschrift“durch den Spielplan, der mit sechs Uraufführungen und zehn Erstaufführungen weiter auf Zeitgenossenschaft setzt. In Thomas Köcks „antigone. ein requiem“werden tote Körper an den Strand von Theben gespült. „Antigone schleppt die Toten in die Stadt und fordert die Verantwortung ein“, erläutert Alexandra Althoff. „Das Himmelszelt“von Lucy Kirkwood sei laut Kuˇsej ein „spannender, gut gebauter Krimi für 14 Frauenrollen“. Die für ihre bildmächtigen Inszenierungen bekannte Australierin Adena Jacobs wird für „Die Troerinnen“von Euripides erstmals in Kontinentaleuropa arbeiten. Robert Borgmann inszeniert „Reich des Todes. Politische Theorie“, ein Stück über den Krieg nach 9/11 von Rainald Goetz.
Fazit des Burgtheater-chefs: „Wir brennen darauf, wieder Theater zu spielen.“Seine Antrittsmaxime der Vielsprachigkeit sei „ein bisschen in den Hintergrund geraten“. Außerdem habe er auch einiges aus der ersten Spielzeit gelernt. Weniger Experimente? „Nein, mehr gute Experimente.“
Man kann aus der Not eine Tugend machen und in Coronazeiten eine unterhaltsame Romy-überreichung auf die Beine stellen, wie der Orf-zuschauer am Wochenende erleben konnte. Mit mehr persönlichen Momenten und auch kurzweiliger als bei einer Gala in der Hofburg. Aber wenn die Kameras für eigene Filme und Serien ruhen müssen, fehlt freilich eine Alternative für das fiktionale heimische Tv-angebot. In Wirklichkeit hätte der ORF in diesem
Bereich bis Jahresende Programm, wie Orf-generaldirektor Alexander Wrabetz in einem Interview erklärt hat, doch dann müsste er „2021 nur noch auf Wiederholungen zurückgreifen“. Nachsatz: Das wäre nicht der Sinn des Orf-auftrages.
N un denn: Dass heute der gesamte Hauptabend von ORF 1 nur mit Wiederholungen bestückt ist, hat nichts mit Corona zu tun, wie wir auf Anfrage bestätigt bekamen. Das sei im Spätfrühjahr bzw. Frühsommer „gelernte Praxis“, da die einzelnen Fälle von „Soko Kitzbühel“bzw. „Soko Donau“ja keine horizontalen Handlungsstränge hätten. Vorrätig wären etwa immerhin eine noch nicht ausgestrahlte Staffel von „Vier Frauen und ein Todesfall“sowie die neue Serie „Der letzte Wille“.
Fazit: Corona darf kein Vorwand sein. Die „gelernte Praxis“des ORF gehört dringend auf den Prüfstand.