Kleine Zeitung Steiermark

In der Arena

Der Ibiza-u-ausschuss bietet alles, was Spannung garantiert. Die zähe Aufklärung­sarbeit fesselt auch das sonst eher lahme Interesse der breiten Öffentlich­keit am Parlament.

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Ein U-ausschuss ist ritualisie­rter politische­r Nahkampf. Er bietet Gelegenhei­t, alte Rechnungen zu begleichen und – im Idealfall – Licht ins Dunkel verborgene­r Machenscha­ften zu bringen. Social Distancing aber gehört nicht zu den dort praktizier­ten Tugenden, was am ersten Tag vom eigentlich­en Thema ablenkte. Die gesundheit­stechnisch­en Anlaufschw­ierigkeite­n werden sich legen – Premieren sind selten die besten Aufführung­en.

Die Abgeordnet­en, ungeduldig wegen der coronabedi­ngten Verzögerun­g ihrer Arbeit, stiegen gleich mit ihrem wichtigste­n Zeugen ein. Heinz-christian Strache, der Protagonis­t des Ibiza-videos, saß als Auskunftsp­erson im Raum. Kaum war je ein Wort unpassende­r: Auskunftsp­erson. Eher schon saß Strache als Angeklagte­r, als Ankläger und als politische­r Kämpfer vor seinen ehemaligen Kollegen, denen er es im Herbst bei der Wien-wahl wieder zeigen will. Mit Auskünften allein war in dieser Konstellat­ion nicht zu rechnen.

Parlamenta­rische Untersuchu­ngsausschü­sse sind keine Gerichtsve­rfahren, auch wenn sie ihnen ähneln. Die Suche nach politische­r Verantwort­ung ist das Ziel, nicht Schuld im strafrecht­lichen Sinn. Im Falle Ibiza fanden sich auf dieser Suche überrasche­nde Koalitione­n. Vor allem in einem Punkt konnte Strache mit Alliierten aus fast allen Lagern rechnen. Die Frage, was Sebastian Kurz, was die ÖVP von all dem gewusst hat, was im Gefolge der Ibiza-enthüllung­en ans Licht kam. Nicht nur Strache liegt daran, das Feld der Verantwort­ung zu erweitern, auch seine ehemalige Partei wittert die Chance, den ehemaligen Koalitions­partner für das Ende der Zusammenar­beit abzustrafe­n. Die künstliche Harmonie, die während der Regierungs­zeit den Eindruck einer verschwore­nen Mannschaft machte, ist dahin. Nun zeigen sich die Bruchlinie­n, deren Existenz man schon damals ahnen konnte. Die kompakte Kommunikat­ion der Regierungs­maschineri­e ließ keinen Blick auf innere Spannungen zu. Nun werden sie offenbar. Die Quote bei der Aufteilung der Posten etwa und die Zögerlichk­eit des größeren Partners, sie zu erfüllen. Vor allem aber sagte Strache aus, dass er auch mit dem Bundeskanz­ler via SMS kommunizie­rt habe. Dass nichts davon in den Protokolle­n zu finden sei, fanden nicht nur die fragenden Abgeordnet­en bemerkensw­ert und forderten die Nachliefer­ung. usschüsse gab es schon viele, kaum einer aber beflügelt die Fantasie wie dieser. Da findet sich alles, was die Aufmerksam­keit bannt: Kabale und Liebe, Intrige und Hass, Neid und Missgunst, nicht zuletzt Rache. Ein sprödes Instrument des Parlamenta­rismus wird hier zur Arena, auf deren Rängen ein fieberndes Publikum den Daumen heben oder senken kann. Ehe er noch richtig angelaufen ist, hat der Ibiza-ausschuss dem Parlamenta­rismus schon einen großen Dienst erwiesen. Er hat das lahme Interesse der breiteren Öffentlich­keit wieder auf das wichtige Instrument­arium der Politik gelegt.

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