Nach dem Virus kommt das Elend
In Spanien droht eine soziale Katastrophe. Die Folgen der Coronakrise führen zu wachsender Armut: Immer mehr Menschen müssen sich um Essenspakete anstellen.
Die Regierung führt nun ein Grundeinkommen ein.
räte dieser Nahrungsbanken stammen aus Spenden des Handels und von Privatleuten. Die Rationen werden an Kirchen, Nachbarschaftsvereine und Sozialverbände weitergeleitet, die derzeit Zehntausende Familien mit Nahrung versorgen.
Schon vor der Epidemie waren in Spanien laut Eurostat 26,1 Prozent der Bevölkerung von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht – im Eu-schnitt sind es 21,8 Prozent. Nachdem in den letzten Monaten knapp eine Million Menschen entlas
und 3,5 Millionen in Kurzarbeit geschickt wurden, wuchs die Not. Viele Kurzarbeiter haben bis heute nicht das versprochene staatliche Geld bekommen. Besonders arm dran sind Beschäftigte der Schattenwirtschaft oder mit befristeten „Müllverträgen“– sie haben keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. So wie die 37-jährige Cristina Pérez, die in Madrid als Kellnerin arbeitete und deren Zeitvertrag wegen Corona nicht verlängert wurde. „Ohne die Essensspenden könnte ich nicht überleben.“Sie muss fürchten, demnächst auch ihre Mietwohnung zu verlieren.
Spaniens wohltätige Speisetafeln bekommen die neue Not zu spüren: Die Zahl der Hungernden, die vor den Suppenküchen stehen, habe sich vervielfacht, sagen die Helfer. Besonders groß ist die Misere in den südlichen Arbeiterbezirken Madrids – dort sind die Hungerschlangen am längsten. „Das ist ein sozialer Tsunami“, sagt Pepe Aniorte, der in Madrids Ratsen
haus für Sozialpolitik zuständig ist. Es sei zunehmend auch der Mittelstand betroffen: „Es kommen Familien, die niemals gedacht hätten, dass sie einmal um Hilfe bitten müssen.“
Spaniens Mitte-links-regierung aus Sozialisten und dem Linksbündnis Podemos machte nun einen revolutionären Schritt: Sie beschloss ein bedarfsabhängiges „existenzielles Grundeinkommen“, dessen schon länger geplante Einführung wegen des Corona-dramas vorgezogen wurde. Es ist eine staatliche Sozialhilfe, die es bisher landesweit nicht gab und ab sofort gezahlt wird. Mittellose Alleinstehende haben Anspruch auf maximal 462 Euro im Monat, Familien auf 1015 Euro. Damit will Sozialminister José Luis Escrivá rund 850.000 Haushalten, die in extremer Armut leben, ein würdigeres Leben ermöglichen. Die jährlichen Kosten sollen sich auf rund drei Milliarden Euro belaufen.