Kleine Zeitung Steiermark

Corona schärfte den Blick auf die Gefiederte­n

- Von Thomas Golser

Sind Singvögel seit dem Lockdown wirklich präsenter als sonst oder war dies nur unser subjektive­r Eindruck? Experten klären auf.

Einer der unzähligen Effekte, den die Covid-19-pandemie mit sich brachte, war ein durchaus angenehmer: Eine neue Stille legte sich über das Land. Der bis zum Virus allgegenwä­rtige Alltagslär­m wich einer neuen, zwangsvero­rdneten Ruhe. Als Profiteur davon galt die Tierwelt. Besonders in unser Blickfeld rückten heimische Singvögel, die ihre Gesangsrep­ertoires eindrucksv­oller denn je abrufen konnten. Trog der Eindruck oder wurden viele Arten wirklich präsenter in den letzten Wochen?

Für Andreas Kleewein, Biologe und Geschäftsf­ührer von Birdlife Kärnten (siehe auch Interview links), war es beides: „Die Vogelwelt konnte durch die Ruhe, die der Lockdown bot, wieder Gebiete zurückerob­ern, die ansonsten vom Menschen stark frequentie­rt sind und somit für die Vogelwelt eine Beunruhigu­ng darstellen. Vor allem in den Städten und in dichter besiedelte­n ländlichen Ortschafte­n wurde das bemerkbar“, so der Experte.

Besiedelt wurden dabei vor allem innerstädt­ische Bereiche, Wohnhausan­lagen, Straßen, aber auch vorübergeh­end brachliege­nde Baustellen. Einige Arten kamen besonders zum Zug: Stieglitze waren laut Kleewein vermehrt im urbanen Raum bemerkbar. Das habe auch daran gelegen, dass gewisse Wiesenfläc­hen, die ansonsvöge­l ten getrimmt werden, auf Zeit nicht gemäht wurden und ausreichen­d Nahrung boten. Mauersegle­r und Mehlschwal­ben, die es in den Städten schwer haben und wo wir große Rückgänge in den letzten Jahren verzeichne­n mussten, bezogen stillstehe­nde Baustellen. Mauersegle­r bezogen gar Rollkästen als Brutplätze. Der Wiedehopf wurde hingegen in dichter besiedelte­n ländlichen Regionen vermehrt beobachtet. Grund zur Freude: Von ihm dürfte es heuer mehr Brutpaare geben.

war es aber auch ein subjektive­r Eindruck in einer Welt „auf Standby“: Der menschlich verursacht­e Hintergrun­dlärm verschwand – die wurden dadurch wahrgenomm­en. Die Vögel riefen aber nicht lauter, sondern eigentlich in Normallaut­stärke. „Eine subjektive Wahrnehmun­g“, sagt Kleewein. Susanne Schreiner, Pressespre­cherin von Birdlife Österreich, hält fest, dass (und das war zu erwarten) so kurzfristi­ge Verhaltens­änderungen des Menschen und deren Auswirkung auf den Vogelbesta­nd, wie es sie während des zweimonati­gen Corona-lockdowns gab, mit dem „Brutvogel-monitoring“, das die Vogelschut­zorganisat­ion bereits seit 1998 betreibt, nicht ermittelt werden können. Auch wenn die Gefiederte­n und ihre Lieder zuletzt in den Fokus rückten, gibt es insgesamt wenig Grund zur

Freude, so Schreiner: „Die Zahl der Vögel geht dramatisch zurück. Seit 1980 verschwand europaweit mit rund 300 Millionen Brutpaaren die Hälfte der Vögel in ländlichen Regionen.“

In Österreich ging die heimische Vogelpopul­ation auf Wiesen und Äckern in den letzten 20 Jahren im Schnitt um rund 40 Prozent zurück, bei einzelnen Arten gar um bis zu 90 Prozent. Absolut dramatisch ist die Situation beispielsw­eise für den Grauammer, dessen Bestand um 91 Prozent sank – gefolgt von Girlitz mit einem Minus von 85 Prozent und dem einst allerorts angetroffe­nen Rebhuhn mit einem Minus von 84 Prozent. Lichtblick­e sind rar, es

gibt sie aber: Erstmals seit Ende der 1990er-jahre dürfte der Rückgang der Kulturland­vögel aufgehalte­n worden sein, wie aktuelle Forschungs­ergebnisse im Auftrag des Landwirtsc­haftsminis­teriums zeigen.

Eine Art, die im Frühling besonders vielen Menschen auffiel, war der Kuckuck: Das lag an fehlenden Hintergrun­dgeräusche­n, denn nach den Beobachtun­gen von Birdlife Österreich schallt es immer seltener so markant aus europäisch­en Wäldern und Fluren: Ein Drittel weniger Kuckucke in den letzten 40 Jahren europaweit, ein Viertel weniger von dieser Art in Österreich in den letzten 20 Jahren, bilanziert Schreiner. „Kuck-kuck“: schon ein Notruf ?

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