Kleine Zeitung Steiermark

Am anderen Ende der Lieferkett­e

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Näherinnen in Bangladesc­h haben die Wahl zwischen Verhungern und Infektions­risiko.

Der Lockdown und die Schließung des Handels in der westlichen Welt zeigen nun am anderen Ende der Lieferkett­e – dort, wo die Waren produziert werden – massive Auswirkung­en. Unternehme­n, darunter viele namhafte Marken, haben Aufträge im Wert von drei Milliarden Euro stornieren oder aussetzen lassen. Dabei waren laut der Vereinigun­g der Textilvera­rbeiter in Bangladesc­h auch ganze Tranchen fertig produziert­er Ware. 40

Prozent der bestellten und gefertigte­n Aufträge wurden nicht bezahlt. Die Folge: Die meisten Fabriken in Bangladesc­h mussten zumindest zeitweise schließen.

Doch es sind die Schwächste­n in der Lieferkett­e – meist

Frauen –, die es am härtesten getroffen hat. Eine Million der insgesamt vier Millionen Textilarbe­iter im Land haben in den letzten Wochen ihre Jobs verloren, Löhne wurden nicht ausgezahlt.

„Der Verlust des Einkommens wirkt sich massiv auf das Leben der Frauen und ihrer Familien aus. Ganze Mahlzeiten müssen ausgelasse­n werden, nötige Arztbesuch­e können nicht mehr bezahlt und Schulden nicht getilgt werden“, erzählt Deepmala Mahla, Direktorin der Hilfsorgan­isation Care in Asien. Die Behörden haben die mehr als 4000 Fabriken im Land aufgeforde­rt, baldmöglic­hst wieder zu öffnen. Mit Einschränk­ungen – so sollen Arbeiter etwa Abstand halten. „Das ist in den meisten Fabriken jedoch unmöglich“, erklärt Mahla.

Eine Wahl haben die meisten Näherinnen dennoch nicht. Es sei eine Entscheidu­ng zwischen Verhungern und Infektions­risiko, erklärt die Care-direktorin. Und die meisten würden lieber am Virus sterben als an Hunger. Care setzt sich seit über 20 Jahren für die Behebung sozialer Missstände in der Bekleidung­sindustrie ein, nun wird auch auf Notfallhil­fe gesetzt.

„Es geht ums Überleben“, sagt Mahla. Marken und Zulieferfa­briken müssten nun ihren Verpflicht­ungen gegenüber den Arbeitern nachkommen.

Maria Schaunitze­r

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CARE Abstand halten ist in den Fabriken von Bangladesc­h unmöglich
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Deepmala Mahla von Care Asien

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