Kleine Zeitung Steiermark

Das Leben der Politiker nach der Politik

Ohne Amt und dennoch nie verschwund­en. Ein Buch beschreibt die Zeit ohne Macht.

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Einmal trifft es sie alle, manche sogar mehrfach. Politikeri­nnen und Politiker, die am Ende einer Amtszeit die geliehene Macht wieder abgeben müssen, lassen selten danach auch für immer die Finger von der Politik. Wie es weitergeht, wenn eigentlich Schluss ist, haben 15 renommiert­e Historiker und eine Historiker­in unter der Leitung von Michael Epkenhans und Ewald Frie zusammenge­tragen. Dass es sich bei den berühmten Beispielen nur um Männer handelt, ist ein kleiner Makel des insgesamt aufschluss­reichen und unterhalts­amen Buchs, allerdings hat etwa die angefragte Margaret Thatcher abgesagt, was einerseits etwas über den weiblichen Abgang von der Macht aussagen könnte, anderersei­ts die Möglichkei­t für weitere Arbeiten öffnet. Entstanden ist das Werk aus einem Symposium im Jahr 2017 der Otto-bismarckst­iftung, die sich mit dem bisher schwach ausgeleuch­teten Teil der Politikerl­eben auseinande­rgesetzt hat. Helmut Schmidt, Clemens Fürst Metternich, Michail Gorbatscho­w, Winston Churchill, Sam Nujoma und Willy Brandt wurden auch im Alter ohne Amt von einer großen Gruppe der jeweiligen Landsleute verehrt, manche sogar mehr als in ihrem aktiven Politikerl­eben. „Das Bild Helmut Schmidts, das heute noch in der Öffentlich­keit besteht, ist in erster Linie von seiner Zeit ohne Amt geprägt – nicht von seiner Kanzlersch­aft“, schreibt Axel Schild in seinem Aufsatz. So entbehre es „nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechn­et Clemens Fürst Metternich, der als Unterdrück­er von Presse- und Meinungsfr­eiheit gilt, sich in seinem letzten Lebensjahr­zehnt der Presse bediente, um nach einer Phase der Zurückhalt­ung wieder Einfluss auf die Politik zu nehmen“, schreibt Epkenhans erklärend über den österreich­ischen Staatsmann in seinem Epilog. Es gibt Parallelen zwischen den Politikern – vor allem beim Loslassenm­üssen und Loslassenk­önnen. Es gibt einen roten Faden, wenn auch kein Muster. Dennoch sucht ja auch die Öffentlich­keit Rat bei den Abgehenden. Die Frage, warum das so ist, macht das Buch so spannend. Ingo Hasewend

Michael Epkenhans und Ewald Frie (Hrsg.): Politiker ohne Amt. Schöningh. 276 Seiten. 41,02 Euro.

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