Schwerstarbeiter für die Wahrheit
Mimikama-chef Tom Wannenmacher kämpft gegen Lügen und Verschwörungstheorien im Netz. Die Coronakrise wird da zur Belastungsprobe – eine von vielen
in einem bewegten Leben.
Die Verschwörer trifft Tom Wannenmacher jetzt auch schon beim Gassigehen: „Da kommen Leute auf mich zu, die ich schon seit Jahren kenne, und erzählen mir, dass die Regierung einem bei Coronatests einen Chip einpflanzt, um uns zu kontrollieren – und das Bargeld soll dadurch auch gleich abgeschafft werden.“Seit neun Jahren entlarvt der gebürtige Grazer mit seinem Verein Mimikama Falschmeldungen und Verschwörungstheorien wie diese.
Doch welche wirren Thesen er nun in der Coronakrise auf seinen beiden Bildschirmen zu lesen bekommt, lassen selbst den routinierten Fake-news-jäger staunen: „Vielleicht kommt das daher, dass das Virus für die Leute nicht greifbar ist, sie aber eine Erklärung für all das brauchen und jemanden, dem sie die Schuld geben können.“Vor der Krise haben der 50-Jährige und sein kleines, eingeschworenes
pro Tag im Schnitt 80 bis 120 Anfragen zu Gerüchten und Betrügereien im Netz bearbeitet. In den vergangenen Wochen waren es bis zu 450 täglich, berichtet Andre Wolf, Mimikama-sprecher und seit vielen Jahren Wegbegleiter Wannenmachers: „Tom und ich arbeiten mehr als 150 Stunden pro Woche – aber so war das bei uns eigentlich schon immer.“
Wannenmacher sagt, er fühle sich in der Coronakrise so wohl wie selten zuvor: „Ich glaub, das liegt daran, weil die Krise für mich nichts Neues ist: Mein halbes Leben hab ich mit Krisen und Problemen zu tun gehabt. Und genau das hilft mir jetzt.“Es fängt früh an: Als er sieben ist, heiratet seine Mutter wieder; die Familie zieht von Graz nach Wien: „Bis heute weiß ich, wie schlimm das war, aus der Volksschule rausgerissen zu werden und in diese komische Stadt zu kommen, wo einen auf der Straße keiner zurückgrüßt.“
Doch der „Exilgrazer“(Eigendefinition bis heute) lässt sich von Wien nicht unterkriegen. Er macht eine Lehre zum Konditor, verdient sein erstes Geld. Mit 18 zieht er mit seiner damaligen Freundin zusammen: „Es war toll, die erste gemeinsame Wohnung, unabhängig sein.“Genau dann passiert es: Wannenmachers Mutter stirbt bei einem Flugzeugabsturz. Von da an kümmert er sich um seine zwei kleinen Schwestern: „Ich war der große Bruder, der alles im Griff haben musste. Das war sehr schwer.“Es zeigt auch, was für ein Mensch Wannenmacher ist: „Tom ist jemand, der alles aufopfert, um anderen zu helfen – und sich dabei manchmal selbst vernachlässigt“, sagt Andre Wolf.
In den folgenden Jahren schlittert Wannenmacher in einige Burn-outs und zugleich in verschiedene Berufe: von der Konditorei in die Versicheteam rungsbranche, um schließlich dann doch Werbegrafiker zu werden. Daneben hat der mittlerweile dreifache Vater noch Zeit, ein Meister im Facebookspiel Farmville zu werden. Doch dabei tappt Wannenmacher 2010 in eine Gewinnspielfalle. „Ich hatte um die 5000 Follower – Nachbarn heißen die im Spiel. Die musste ich natürlich vor dieser Falle warnen. So hat es mit Mimikama angefangen und im Grunde mach ich das bis heute – Nachbarschaftshilfe.“Dabei kommt ihm all das zugute, was er in den Jahren zu
Was da im Netz derzeit abläuft, ist wirklich gefährlich. Mit den Schreihälsen kann man nicht diskutieren. Aber ich will die erreichen, die leise mitlesen.
Tom Wannenmacher
Beate Pichler