„Veränderung ist die einzige Konstante“
Die Weizer Knill-gruppe, einer der ältesten Familienbetriebe des Landes, entwickelte sich vom Klingen- und Säbelproduzenten zum global tätigen Hightech-unternehmen. Was sich aus einer fast 310-jährigen Firmengeschichte für die gegenwärtige Krise lernen
Uns gibt es seit fast 310 Jahren, wir haben Krisen und Kriege überlebt und mussten uns oftmals völlig neu erfinden“, sagt Georg Knill. Der Präsident der steirischen Industriellenvereinigung lenkt seit 2002, in zwölfter Generation, gemeinsam mit seinem Bruder Christian eines der ältesten Familienunternehmen des Landes.
Die Wurzeln der Knill-gruppe reichen bis in das Jahr 1712 zurück. Es war ein Schmied aus Bayern, Josef Mosdorfer, der in Weiz die Witwe Anna Lehr ehelichte und dort den Grundstein für eine bemerkenswerte Unternehmensgeschichte gelegt hat. Produziert wurden damals Klingen und Säbel. Eine Parallele zum heutigen Hightech-unternehmen:
Bei aller regionaler Verwurzelung spielten die Auslandsmärkte schon damals eine Schlüsselrolle. „Wir haben schon im frühen 18. Jahrhundert beispielsweise Schwerter ins heutige Afghanistan geliefert“, so Georg Knill. „Damals war man noch mit ganz anderen Handelswegen und Unmöglichkeiten konfrontiert.“
Die Klingenerzeugung bei Mosdorfer in Weiz erlangte nahezu Monopolstellung bei der Belieferung der kaiserlichen Armee mit Säbeln, 1784 erhielt man zudem die Konzession zur Sichelproduktion. Diese Fertigung wurde im 19. Jahrhundert auf eine Jahresproduktion von einer halben Million Sicheln hochgeschraubt, sie gingen u. a. in die Türkei, nach Russland, Brasilien
und Nordamerika. „Wir waren gewissermaßen immer schon in der Welt zu Hause.“Damit einhergegangen ist die ständige Notwendigkeit, sich zu verändern, „die Säbel wurden durch Kanonenkugeln ersetzt, viele Schmiedeprodukte für den Agrarbereich durch Traktoren“, so Christian Knill, der auch als Obmann des Fachverbandes der Metalltechnischen Industrie fungiert. Aus seiner Sicht weise die aktuelle Krise trotz aller historischer Herausforderungen dennoch eine Besonderheit auf. „So eine plötzlich eintretende Gesundheitskrise, von der die Wirtschaft weltweit und gleichzeitig in diesem Ausmaß betroffen ist, gab es – auch in unseren Aufzeichnungen der Firmenchroniken – noch nicht.“
Jener Begriff, der im Zuge der gegenwärtigen Coronakrise Hochkonjunktur hat, die sogenannte „Resilienz“(Widerstandskraft, Robustheit), ist in Weiz also eine seit Jahrhunderten gelebte Praxis. „Ohne diese Anpassungsfähigkeit würde es uns nicht mehr geben“, betont Georg Knill. Die wechselvolle Entwicklung vom Klingenfertiger hin zu einer Unternehmensgruppe, die heute Lösungen und Systeme für die weltweite Energie-, Kommunikations- und Mobilitätsinfrastruktur anbietet, führt ihn zum Befund: „Veränderung ist die einzige Konstante.“Zu seinen Mitarbeitern sage er gerne: „Ich weiß nicht, welche Produkte die nächste Generation bei uns produzieren wird, ich weiß nur, dass es andere sein werden als heute.“Dass sich durch Krisen immer auch Chancen auftun, sei mehr als nur ein Stehsatz. Im eigenen Unternehmen nutze man beispielsweise die Megatrends, die sich aus der Klima- und Energiewende ergeben, im Sondermaschinenbau grüne Themen, „wir haben hier Kooperationen mit Start-ups und Technologiepartnern geschlossen, fertigen erste Prototypen und Kleinserien und sehen hier spannende neue Potenziale“.
Lässt sich
Familienunternehmen
ein leichter durch eine Krise navigieren? „Das kann man nicht pauschal beantworten“, sagt Christian Knill, „das hängt immer von den Eigentümern ab, es gibt auch viele angestellte Manager, die derzeit einen extrem guten Job machen.“Insgesamt sei aber der langfristige Fokus sicher ein Vorteil, „wir denken und handeln in Generationen und nicht in Quartalsberichten“. Es sei wichtig, Krisen zu managen, so Georg Knill. Für alle gehe es darum, Liquidität, also „unsere Luft zum Atmen“, sicherzustellen, dafür müsse auch entsprechende Substanz
da sein, „es ist aber
1784: Konzession für die Sichelfertigung
entscheidend, gerade jetzt den Fokus auf Chancen zu legen und dafür auch Geld zu investieren“.
Viel Aufmerksamkeit lege man in einer von Verunsicherung geprägten Situation wie dieser auf eine direkte, offene und auch authentische Kommunikation mit den Mitarbeitern, „wir sind als Familienunternehmer nahe dran, das machen aber auch die Geschäftsführer unserer einzelnen Gesellschaften mit regelmäßigen Informationen sehr gut“, sagt Christian Knill.
Beide Brüder unterstreichen als passionierte und langjährige Interessensvertreter die Bedeutung offener Grenzen für die heimische Industrie: „Eine Normalisierung im internationalen Handel und bei Geschäftsreisen ist für eine Exportwirtschaft wie jene Österreichs von existenzieller Bedeutung.“
Die standortpolitischen Herausforderungen seien jedenfalls vielfältig, betont Georg Knill. Auch das ist ein Grund dafür, dass er sich als einer von drei Kandidaten Mitte Juni der Wahl zum Präsidenten der Industriellenvereinigung Österreich stellt. Aus Wahlkampfgetöse, das in den vergangenen Wochen immer wieder laut wurde, hält er sich bewusst heraus. „Ja, ich bin Kandidat und am 18. Juni wird gewählt. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen, schließlich stehen wir vor enormen Herausforderungen, die all unsere Aufmerksamkeit und das Bündeln unserer Kräfte verlangen.“