Kleine Zeitung Steiermark

„Ich hätte noch gerne ein bisschen mehr Zeit“

- Von Julia Schafferho­fer

Bühnenlege­nde Otto Schenk wird 90 Jahre alt.

Ein Gespräch übers Lieben, Lachen und Zweifeln, sein Publikum und den Geschmack seiner Kindheit.

Herr Schenk, haben Sie in dieser seltsamen Zeit die Bühne vermisst?

OTTO SCHENK: Ich glaube nicht. Ich bin verkommen. Ich habe mit den Bühnenauft­ritten schon fast aufgehört, nur noch Lesungen mache ich mit großer Freude. Aber ich brauche immer Verführer, auch zum neuen Buch „Schenk, das Buch“wurde ich von Michael Horowitz verführt. Der hat mich mein ganzes Leben lang fotografie­rt. Wir kennen uns urlange, er ist ein genialer Fotograf.

In „Der Kirschgart­en“standen Sie zuletzt noch auf der Bühne der Josefstadt. Kehren Sie zurück?

Ich weiß nicht, ob sie die Besetzung zustande bringen. Herbert Föttinger möchte es ohne mich nicht spielen.

gewartet haben, sagte er: „Das ist eine Wohnung mit Seele.“

Es kann alt werden. Es ist nichts Unmodernes. Es ist immer alles unmodern gewesen.

als das, was man sich darunter vorstellt.

Worüber haben Sie das letzte Mal gelacht?

Das weiß ich nicht, das muss Jahre her sein.

Nicht mehr, aber ich bin immer regelmäßig gegangen, in die Oper noch viel mehr. Für mich ist die Oper das selbstvers­tändlicher­e Theater. Denn wenn der Mensch etwas fühlt, muss er et

Nie. Das wurde eher ärger. Meine ganz großen Erfolge waren die, die ich mir nicht zugetraut habe und die ein anderer von mir erwartet hat, wie die Inszeden

Das Lesen ist das, was mich noch antreibt, und das Schreiben komischerw­eise. Das ist ein neues Talent, ein altes Talent. Ich hatte es in der Kindheit, in der Schule. Als ich zum Theater ging, hat das Theater das vollkommen aufgefress­en und ich habe nicht einmal mehr Briefe schreiben können. Als Direktor habe ich Briefe diktiert und die hat meine Sekretärin gesammelt und aus denen haben wir unser erstes Buch gemacht.

Sie sind seit 1956 verheirate­t. Verraten Sie uns Ihr Geheimnis?

Die gute Ehe ist nur mit Liebe aufrechtzu­erhalten und nicht einmal Liebe genügt, sondern Sie müssen sich ständig verlieben. Das ist mir immer gelungen, aber da ist meine Frau schuld. Sie war halt die Richtige, sie hatte meinen Geschmack und meinen Humor. Nicht dass sie über mich gelacht hat, ich lache ja über mich auch nicht.

Gar nie?

Ich finde, es ist die Aufgabe, dass die anderen lachen und nicht man selber. Ich habe die Komiker, die mit freudigem Gesicht die Bühne betreten, nie so geschätzt wie die ernsten und verzweifel­ten Nörgler.

Sie sind 1930 geboren. Wie geht’s Ihnen mit der Gegenwart?

Wir gehörten zu den Verfolgten, zu den Verfemten. Wir wurden zu Juden und Halbjuden erklärt, obwohl wir es gar nicht waren. Zwei Großeltern waren jüdisch und meines Vaters Großeltern alle vier. Trotzwurde­n dem waren wir erstaunt. Das war ein ganz komisches Leben. Wann ist der Hitler nach Österreich gekommen?

1938.

Ich war acht Jahre alt und sofort wusste man, wohin man gehört. Ich war stolz auf meine jüdischen Verwandten. Das hat der Hitler über Nacht geschafft. Ich wusste, dass das falsch ist und dass er den Krieg verlieren wird. Das war gar nicht so leicht zu glauben in der Zeit seiner Triumphe und Pseudoerfo­lge. Das waren alles Pseudoerfo­lge. In derselben Woche, wo er bejubelt wurde am Heldenplat­z, sind doppelt so viele Leute eingesperr­t worden.

Werden diese Erinnerung­en aus der Kindheit im Alter stärker?

Ich glaube schon. Dieses Buch weckt so viel in mir, das ist ein Sog-apfel, ein Saug-apfel. Ich rieche die Bilder. Man verliert im Alter ja den Geruchs- und Geschmacks­sinn, aber man schmeckt das Alte so genau.

Was schmecken Sie?

Den Sand vom Wörthersee oder den Tabakrauch von meinem Vater, wenn er Pfeife oder Zigarre geraucht hat. Ich durfte dann einen Zug machen. Wir

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Das glaube ich Ihnen nicht. Unter „drohenden Büchern“empfing
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APA „Ich war ein Herzeige-objekt und daraus hat sich der Komödiant entwickelt“, erinnert sich Otto Schenk an seine Kindheit

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