Kleine Zeitung Steiermark

Zur Person

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herunterge­landet, das habe ich schon nicht leiden können. Dann ist er gestanden und die Kinder haben gesagt: „Maikäferch­en, was willst du?“Und da hat er gesagt: „Einen Schwarzen.“Das war mein erster Lacher, an den ich mich erinnern kann. Das war ungefähr 1934. singen. Da genügt die Sprache nicht, um es auszudrück­en.

Man hat den Eindruck, als könnten Sie auf der Bühne alles machen.

Das ist ein großer Irrtum. Man muss sehr genau aufpassen, wenn man beliebt wird, dass man nicht bei sich selber zu beliebt wird. Man muss immer zweifeln an dem, was man macht. Vielleicht ist dieses leicht Ungeschick­te, das ich nicht kultiviere, das Geheimnis, dass die Menschen mich verstehen. Ich war nie selbstsich­er. Ich habe immer an meinem Talent gezweifelt. Ich hatte stets einen Verführer, der mehr an mich geglaubt hat als ich selber. Das ist eine heikle, tragische Lebensweis­e. Sehr unangenehm.

Otto Schenk wurde am 12. Juni 1930 in Wien geboren. Seit 1956 mit Renée Michaelis verheirate­t, 1957 kam der gemeinsame Sohn Konstantin zur Welt.

Karriere: Max-reinhardt-seminar, Theater in der Josefstadt und Volkstheat­er, 1957 erste Opernregie. Seither Operninsze­nierungen an vielen großen Häusern. Als Schauspiel­er und Theaterreg­isseur auch am Burgtheate­r, Münchner Kammerspie­le. Legendärer Nestroy-darsteller. Zahlreiche Lesungen. Auszeichnu­ngen: u. a. Nestroy-ring, Bayerische­r Filmpreis, Platin-romy, Nestroy fürs Lebenswerk.

„Ich bin dem Leben sehr dankbar, dass es mich 90 Jahre nicht vergessen hat“, sagt Otto Schenk. Sein runder Geburtstag aber bedeutet ihm nichts: „Ich bin ein Feind von Festtagen“

an der Met, den „Ring des Nibelungen“zu machen.

An meiner Frau. Die „Miki“, so nenne ich sie, sie sagt „Hacke“zu mir, ich weiß gar nicht, warum. An ihr habe ich nie gezweifelt, weil sie selber immer so rührend an sich gezweifelt hat und noch immer zweifelt. Ein Leben ohne sie kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Es ist alles sie. Diese Wohnung, mein Wunsch, von ihr vorausgeah­nt und eingericht­et. Sie hat das aus einer Ruine entwickelt. Das ist meine Bücherei. Sie besteht aus drohenden Büchern, die ich alle ausgewählt habe oder die mir geschenkt wurden und die ich zum Großteil nicht gelesen habe. Jetzt stehen sie als drohende Tapete da. Ich hätte noch gerne ein bisschen mehr Zeit, daran zu naschen.

Wann waren Sie das letzte Mal in New York?

Mein Zeitproble­m ist vollkomwas

men verschwund­en. Ich lebe nur mehr von Stunde zu Stunde.

Apropos Zeit. Am 12. Juni feiern Sie Ihren 90. Geburtstag. Bedeutet Ihnen diese Zahl irgendetwa­s?

Es bedeutet mir nichts. Ich bin ein Feind von Festtagen, von Jubiläen, von festgelegt­en Feiern. Ich feiere dann, wenn mir die Feier aufstoßt, und nicht, wenn sie mir auferlegt wird. Ich habe auch die Feier meines Geburtstag­s delegiert. Das machen jetzt andere und ich erdulde es nur. Ich freue mich natürlich, wenn die Menschen das ernst nehmen, dass ich noch auf der Welt bin, aber ein Erschrecke­n sind 90 Jahre schon. Man muss zutiefst erschrecke­n, wenn man so alt wird. Man hätte es sich nie gedacht und es ist vergangen wie ein Tag, das Leben.

Machen Sie uns bitte ein bisschen Mut! Gibt es Dinge, die im Alter besser werden?

Besser im Alter kann man nicht sagen – aber man sieht ein im Alter. Wie das Wort genau heißt: Man sieht ein bisschen hinein und da wird vieles unwichtig und vieles wahnsinnig wichtig. Wichtig ist die Beziehung zu den Freunden, die einen umgeben, um die man bangt, denn die sind auch keine Kinder mehr. Wichtig ist die Beziehung zu meiner Frau, die ich neben mir im Krankenstu­hl sitzen habe und in die ich verliebt bin. Das wird stärker und bannierung

sehr frei erzogen, nicht unstreng, aber frei. Dadurch, dass man zu den Verfolgten gehört hatte oder zu Unmenschen erklärt wurde, war man in einem ständigen Dilemma: Man musste schauen, mit wem man verkehrt. Die Freundscha­ften entstanden so im Nebel. Und darin hat sich sehr viel Humor entwickelt. Den konnte Hitler einem nicht nehmen. Er hat die Großmutter umgebracht, er hat den Schmuck weggenomme­n, meinem Vater das Haus, den Beruf – aber den Humor konnte er nicht nehmen. Der war nicht nur unantastba­r, sondern ein bisschen gefährlich für ihn. Ich glaube, er ist an der Humorlosig­keit zugrunde gegangen. Wie wohl alle großen Tyrannen und Maulhelden. Ich politisier­e jetzt, das ist gar nicht meine Art. Da haben Sie mich geweckt.

Tut mir leid. Wechseln wir das Thema: Was wünschen Sie sich?

Dass es ein bisschen länger dauert, als es jetzt scheint. Ich habe noch allerhand zu erfüllen, ich weiß nicht genau, was. Ich hätte noch etwas zu sagen. Das merkt man an redseligen Interviews, dass ich ein Sprechstel­ler bin.

Gibt es noch ein Projekt, wozu Sie sich verführen lassen würden?

Ich wälze keine Projekte, das habe ich nie getan. Auch dieses Buch nicht. Ich habe nichts dazu beigetrage­n, außer dass ich es gelebt habe. Ich bin dem Leben sehr dankbar, dass es mich 90 Jahre nicht vergessen hat, und ich bin eigentlich ganz stolz darauf, dass ich an einem so schwierige­n Unternehme­n, wie die Schöpfung eines ist, teilnehmen durfte, und zwar so, dass ich ein bisschen aufgefalle­n bin. Ein bisschen aufgefalle­n, mehr ist es nicht. In zehn Jahren, zu meinem 100. Geburtstag, wird nicht mehr so ein großes Getue um mich sein.

Wenn Sie zurückblic­ken: Haben Sie ein zufriedene­s Leben gehabt?

Ich würde sagen, dass ich mit meinem unzufriede­nen Leben immer gut ausgekomme­n bin.

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AKOS BURG (2)
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Otto Schenk Julia Schafferho­fer
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