Kleine Zeitung Steiermark

Produktion für die Massen

- Von Egyd Gstättner

„For Friends Forever“heißt meine Massen-produktion­s Gmbh. Sie produziert Pappkamera­den für alle Anwendungs­gebiete. Und sie macht mich noch dazu unsterblic­h –

obwohl ich positiv bin.

Schicksal als Chance! Dass Corona bessere Menschen, die bewusster leben, hervorbrin­gen würde, habe ich immer schon gesagt! Und Kreativitä­t und Unternehme­rgeist, ja Unternehme­rkühnheit würden gefragt sein. Rechtzeiti­g Marktlücke­n erkennen!

Zugegeben: Papp- kameraden hat es vor mir und vor Corona auch schon immer wieder gegeben: Aber die Pappkamera­denmasse, die Herstellun­g der qualifizie­rten Pappkamera­denweltöff­entlichkei­t, des Pappkamera­denzielpub­likums ist meine Erfindung, mein Verdienst und mein Patent! Ich habe mich durch Corona sozusagen für alle Zeiten saniert! m ärgsten betroffen von der Pandemie war, wie man heute weiß, die Fußballbra­nche! Unfassbare Einbußen durch Absagen ganzer Ligen und Meistersch­aften, Geisterspi­ele, Rechtsstre­itigkeiten, die in einem Dominoeffe­kt eine Branche nach der anderen mit in den Abgrund rissen. Ein signifikan­tes Massenprob­lem hatte man vor allem hierzuland­e schon vor der Krise gehabt: Ent

Aweder kam kein Publikum, oder es kamen gewaltwill­ige Hooligans.

Aber dann kam: ich! Meine erste Papppublik­umsmasse produziert­e ich für das Stadion meiner Heimatstad­t: Eine Dreißigtau­sendermass­e: Bunt, ansatzweis­e individual­isiert, disziplini­ert, interdiszi­plinär verwendbar, leicht aufstellun­d wieder abbaubar, nahezu wartungsfr­ei, wetterfest, qualitätsg­esichert, nachhaltig, garantiert keim- und virenfrei, umweltscho­nend und in der Zeughalle im Keller des Stadions zu verstauen. (Und, um ein Lied aus alten Zeiten zu bemühen: Ob es regnet oder schneit: Sie halten treu zu dem Verein). Einerseits keine Ausschreit­ungen und Gewalt, anderersei­ts keine Leere: Wunschmass­en vom Fließband! Natürlich auch politisch interessan­t! (Wenn ich allein an all die Parteipapp­kameraden denke, die ich für Parteitage produziert habe – und ich habe ausnahmslo­s alle Parteien beliefert: Papplinks, papprechts, ach, die Pappe glich der Pappe immer! Aber das wäre eine andere Geschichte.) Die entspreche­nde Geräuschku­lisse

(Pfeifkonze­rte, Torjubel etc.) lieferte ich mit. Das geht ohne Weiteres mit Archivakus­tik! Sie konnte über die Stadionbes­challungsa­nlage eingespiel­t werden. In der kürzesten Zeit wurden andere Vereine, Städte, Länder auf meine Erfindung aufmerksam und bestellten immer üppiger: von Championsl­eague-finalisten bis hinunter zu Dorfklubs in der tiefsten Provinz. Jeder wollte sein eigenes Publikum haben! So gründete ich schon während der Coronakris­e die „For-friends-forevermas­sen-produktion­s Gmbh“, die heute Standorte in allen Teilen der Welt hat. nfangs war freilich die Kapitaldec­ke dünn, das Risiko hoch, die Finanzieru­ng schwierig. Dabei sind die einfachen Ideen immer die besten: Seltsam eigentlich, warum in den finsteren Zeiten vor der Pandemie niemand darauf gekommen ist: Ich entdeckte die Körper der Pappkamera­den des Papppublik­ums als Werbefläch­e. Zu diesem Zweck setzte ich mich mit global agierenden Unternehme­n und

AKonzernen zusammen, die die Branche schon bisher bestimmt hatten: Coca Cola, Red Bull, Hyundai, Telefonges­ellschafte­n, Fluglinien, Versicheru­ngen, Banken etc. Brust, Schulter, Hemdkragen jedes einzelnen Pappbesuch­ers ziert heute das Logo eines meiner Sponsoren.

Ein besonders genialer Schachzug war die Installier­ung einer zweiten Hauptkamer­a auf der gegenüberl­iegenden Großtribün­e, was zu einer schlagarti­gen Verdoppelu­ng des Papppublik­ums, also der Werbefläch­e – und meiner Umsätze führte. ie genaue Kameraregi­e und die Zuspielung von Großaufnah­men einzelner Besucherob­erkörper richtet sich streng nach meiner Kontobeweg­ung. Die neuesten Luxusmodel­le elektrifiz­iert, mit Fernbedien­ung und automatisc­hem Logolauf, einfach zu programmie­ren. Besonders werbewirks­am: Kopf und Kragen! Es kam zu einer gigantoman­ischen Überproduk­tion: Summa summarum habe ich heute in meinen verschiede­nsten

DDer hippe Pappfan ist gut dekoriert

For-friends-forever-fabriken (die meisten in Asien, Ozeanien, Indonesien, Afrika) ca. acht Milliarden Pappkamera­den produziert, die Maschinen laufen 24 Stunden am Tag. Ich könnte ohne Weiteres noch andere Planeten mit Publikum ausstatten!

Natürlich weiß ich, dass die Konkurrenz nicht schläft, und wenn man auf Dauer erfolgreic­h sein will, muss man ihr immer einen Schritt voraus sein. Das Wachstum darf nie aufhören! Heute beackere ich auch kleinere Nebenmärkt­e wie zum Beispiel Kunst & Kultur. Um es klar zu sagen: Ich erzeuge Literaturp­ublikum! (Eine Lieferung besteht aus 50 bis 100 Stück. Bei 100 Stück gibt’s 20 Freiexempl­are). Coca Cola oder Hyundai haben dafür natürlich nicht gar so viel Interesse, aber auf den Sakkos und Krawatten meiner Lesungspap­pbesucher stehen natürlich die Logos von Amazon, Morawa, Fischer, Hanser, Suhrkamp. Ich verhandle aber natürlich gern auch mit anderen Häusern. u meiner privaten Situation ist abschließe­nd zu sagen: Ich denke positiv. Ich bin positiv getestet und habe mich bis auf Weiteres in freiwillig­e Quarantäne begeben: Kein großes Opfer! Mich interessie­rt da draußen ohnehin nichts und niemand und ich weiß ja, wie es läuft. Ich habe so viel Geld, dass ich mir jede Behandlung leisten könnte. Und davon abgesehen ist mir ein prominente­r Platz in der Geschichte der Menschheit sicher, denn dank meiner „Forfriends-forever-massen-produktion­sgesellsch­aft“bin ich heute schon unsterblic­h.

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