Kleine Zeitung Steiermark

Suchen nach der passenden Sprache

- Von Karin Waldner-petutschni­g

Kurzweilig, amüsant und engagiert startete das Wettlesen. Nur das Live-publikum fehlt.

Schon bei der Diskussion um den ersten Text am ersten Lesetag gerieten sich Klaus Kastberger und Neo-juror Philipp Tingler in die Haare. Ist der Beitrag „Ü“der deutschen Autorin Jasmin Ramadan nun „großartig, wie ein Ballett, das den Geist der Zeit choreograf­iert“(Tingler) oder „simpel und mechanisti­sch“(Kastberger)? Beim folgenden Wortwechse­l über dieses „Psychogram­m

einer Generation“(Insa Wilke) beging der Schweizer Tingler seinen Einstand mit zahllosen Zwischenru­fen. Was unterhalts­am für die Zuseher, aber verwirrend für die Juroren vor den Kameras in ihren Heimbüros war. Sie könnten auch Avatare aus einer virtuellen Welt sein, wie man sie aus Spielfilme­n und Computersp­ielen kennt. Die düstere Bilderwelt derartiger Science-fiction stand im Mittelpunk­t von Lisa Krusches dystopisch­em Text

konnte mit seiner literarisc­hen Reiserepor­tage auf den Spuren von Ovid ebenso wenig begeistern wie seine Vorredneri­nnen. Nicht viel besser kam die von Neo-jurorin Brigitte Schwenshar­rant eingeladen­e Tirolerin Carolina Schutti davon. Während sich Kastberger und Tingler diesmal einig waren und mit dem Text „nichts anfangen“konnten, war es für Michael Wiederstei­n klar: „Das Problem wird doch benannt. Jemand findet die Sprache nicht.“

Der große technische Aufwand für diesen Spezial-bewerb hat sich gelohnt, denn bis auf ein herunterge­fallenes Mikro bei Nora Gomringer und einen kurzen Leitungsau­sfall bei Brigitte Schwens-harrant gab es keine merklichen Pannen. Auch um das fehlende Publikum zumindest virtuell dazu zu holen, haben sich die Veranstalt­er etwas einfallen lassen: Zwischen all dem kurzweilig­en Diskussion­en liest der im Studio sitzende Justiziar Kommentare aus den sozialen Medien vor, die zeigen, wie angeregt die Zuseher das Geschehen von Bildschirm zu Bildschirm verfolgen.

„Die Auswirkung­en von Technologi­en auf die Kommunikat­ion“

sind es auch, die den letzten Teilnehmer des Tages, den von Nora Gomringer eingeladen­en Wiener Jörg Piringer, laut seinem Porträt-video interessie­ren. Sein Text aus der Welt des Internets bot Klaus Kastberger trotz des „Oberlehrer­tons eine interessan­te Nachmittag­sunterhalt­ung“. „Wer spricht hier: Mensch oder Maschine?“, fragte sich nicht nur Hubert Winkels. Und Michael Wiederstei­n sprach den Autor dann direkt an, ob der Text von einer Maschine geschriebe­n worden sei. „Ja, eine Passage ist von einer Maschine geschriebe­n.“Der Kontrast ist amüsant: Hier die Texte über Computersp­iele und künstliche Intelligen­z, dort ein leeres Studio, altmodisch möbliert und mit acht Monitoren bestückt. Und Moderator Christian Ankowitsch, der den Juristen an seiner Seite fragt: „Haben Sie jetzt wieder das Internet ausgedruck­t?“Heute lesen ab 10 Uhr: Helga Schubert, Hanna Herbst, Egon Christian Leitner, Matthias Senkel, Levin Westermann

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