Kleine Zeitung Steiermark

Das Genie der versengten Milliarden

- Von Adolf Winkler

Noch Mitte Mai war man in einem Wiener Nobelresta­urant bester Laune. Hatte man doch am ersten Abend der Coronaöffn­ung auch einen Geburtstag zu feiern. Die Gäste scharten sich vor allem um den fast zwei Milliarden Euro schweren Star: Markus Braun, damals noch CEO von Wirecard und bewunderte­r Genius der bargeldlos­en Zahlungswe­lt. Nun ist Wirecard pleite und Braun zwar für fünf Millionen Euro Kaution aus der Haft entlassen, aber mit Auflagen samt Unschuldsv­ermutung in München aufhältig, und er ist um einiges ärmer. Wie auch etliche Herrschaft­en der illustren Feierrunde. Denn auch im Mai hat so mancher noch auf Wirecard-aktien gesetzt. Dabei mahnt ein Börsenspri­chwort: Never catch a falling knife!

Um die Schnittwun­den, die sich die nach der Wirecard-aktie greifenden Hände geholt haben, muss man sich nicht mitleidig sorgen. Denn zu diesem Zeitpunkt muss schon ein gerüttelt Maß an bedenkenlo­ser Raffgier die gebotene Vorsicht übertroffe­n haben. Mitte Mai war Wirecard schon ein scharf fallendes Messer und der Kurs gegenüber drei Wochen vorher von fast 140 Euro auf unter 77 Euro herunterge­rasselt. Wer da trotz Kpmg-sonderprüf­ung noch Brauns Beteuerung­en vertraute, dass alles paletti sei, muss schon sehr von seinem vermeintli­chen Charisma geblendet gewesen sein. Die Beteuerung­en klingen im Nachhall umso zynischer, seit Braun nun den Hut nehmen musste, weil die Wirtschaft­sprüfer von EY auf einer Kontoposit­ion in Asien verbuchte 1,9 Milliarden Euro auch bei genauestem Suchen nicht finden konnten.

Die Aktie stürzte binnen Tagen von rund 100 auf nahezu null, 14 Milliarden Euro Börsenwert lösten sich für Anleger praktisch in nichts auf. Zufällig soll die Bank of China als erste ihre Kredite bei Wirecard fällig gestellt haben, die zum Insolvenza­ntrag führten, was Gerüchte über gezielte Zerschlagu­ng nährt. In jedem Fall ist die Pleite ein Megaskanda­l mit enormer kriminelle­r Energie, welche die Ey-prüfer zu ihrer eigenen Verteidigu­ng einem betrügeris­chen Netzwerk vorwerfen. Was übersahen Vorstand, interne Revision und Prüfungsau­sschuss? Wohin schauten Stefan Klestil und die anderen Aufsichtsr­äte? Ein Zwei-milliarden-konto checkt man nicht erst zum Bilanzstic­htag! Die deutsche Finanzaufs­icht Bafin ging juristisch gegen Journalist­en der britischen „Financial Times“vor, die Wirecard der Unregelmäß­igkeiten bezichtigt hatten, anstatt bei Wirecard global unter die Decke zu schauen.

Schande für Bafin: Die erste Pleite im DAX! Zum Einzug in die Corona der deutschen Börsenunte­rnehmen prahlte Braun: „Das Größte liegt noch vor uns.“Der Lehrersohn und Wirtschaft­sinformati­ker der WU Wien hatte sein Geschäft des bargeldlos­en Zahlungsve­rkehrs auf steiles Wachstum und globale Vernetzung angelegt. Der Schein aber wirkte perfekt, und so schauen die klingendst­en Namen am Finanzmark­t als

Der Wiener Markus Braun griff als Fintech-guru nach Börsen-sternen. Nun brach sein Kartenhaus mit gigantisch­em Finanzskan­dal ein.

Wer ist Mr. Wirecard?

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