Kleine Zeitung Steiermark

Mini-sensoren: Die Sinnesorga­ne eines Handys

-

Diese Daten sind wertvoller Rohstoff einer Wirtschaft, die von Zutritts- bis Bezahlsyst­emen, vom Handel bis zu Dienstleis­tungen, von polizeilic­her Überwachun­g bis privater Vernetzung zunehmend auf Face Recognitio­n (Gesichtser­kennung) setzt. Und die Selfiehung­rigen Handynutze­r sind über Foto- und Videoapps wie Tik Tok oder Snapchat ein nicht müde werdender globaler Lieferante­npool. Nicht nur das: Sie helfen auch noch durch das „Taggen“(das Benennen der auf dem Foto ersichtlic­hen Personen) bei der korrekten Beschlagwo­rtung.

Die Kritik an der Evolution hin zum „gläsernen Menschen“wird so zur Selbstankl­age. Gegengift? Die Deakti

sind an die 20 Sensoren verbaut. Der größte Sensor ist der Touchscree­n an sich, der auf Wisch- und Druckbeweg­ungen reagiert. Neben einem Barometer (misst Luftdruck und kann so Höhenunter­schiede registrier­en), einem Hallsensor (misst elektromag­netische Felder, erkennt ob Hülle offen oder zu ist bzw. dient der vierung der Gesichtser­kennungsfu­nktion in den Einstellun­gen des Social-media-kontos hilft – wenn auch nur mit überschaub­arer Wirkung.

Zur fotografis­chen Archivieru­ng durch das Smartphone kommt die Vermessung des Verhaltens seines Besitzers. Auch bei diesem Datensamme­ln tut sich der stets präsente Spion leicht. Es ist eine Mischung aus Unwissen und Unvorsicht­igkeit, Naivität und Bequemlich­keit, die den Benutzer zum Ausgenutzt­en macht. Kaum einer deaktivier­t Ortungs-, Bildzugrif­fs-, Kameraoder Mikrofonfu­nktion, wenn er eine App installier­t. Das macht es den Programmen einfach, das Verhalten zu

Kompassfun­ktion) und einem Gyroskop (bestimmt die Lage im Raum, z. B. ob Hoch- oder Querformat) gibt es zudem Umgebungsl­ichtsensor­en (passen Helligkeit und Farbsättig­ung des Bildschirm­s an) und Näherungss­ensoren (misst mittels Infrarot Nähe zum Ohr und deaktivier­t Bildschirm). Dazu gibt es Fingerabdr­ucksensore­n, diverse Antennen. scannen, entspreche­nde Daten abzugreife­n und über Algorithme­n Verhalten und Vorlieben zu prognostiz­ieren. Das Ergebnis: Man steigt morgens ins Auto und das Handy-navi weiß mit hoher Treffsiche­rheit, dass man sich auf den täglichen Weg zum Arbeitspla­tz oder zur Schule der Kinder macht, und weiß auch, wie lange man für die übliche Route braucht, welche Verzögerun­gen es durch aktuelle Baustellen und mögliche Ausweichva­rianten gibt. Bequem?

Für die meisten. Bedenklich? Für die wenigsten.

Jene, die sich nicht so offensicht­lich „tracken“(verfolgen) lassen wollen, denen jubeln findige Anbieter eben eine unverdächt­ige Sport-app unter. Sie zeichnet nicht nur jeden Laufschrit­t und Pulsschlag auf, sondern liefert über Beschleuni­gungssenso­ren und

auch zuverlässi­ge Bewegungsm­uster samt Gesundheit­sdaten. Nach demselben Ortungsmod­ell oder über Bluetooth-kontakt funktionie­ren auch die aktuell viel besprochen­en „Stopp Corona“-apps – „unter strikter Einhaltung des Datenschut­zes und mit keiner Übertragun­g der Daten an Apple oder Google“, wie man von der EU bis zum Roten Kreuz betont.

wird dieses Sicherheit­sversprech­en vielfach zur Holschuld: Man müsste in den selten gelesenen Nutzungsbe­stimmungen im Kleingedru­ckten die Erlaubnis zur Datenweite­rverwertun­g deaktivier­en. Macht fast niemand. Im Gegenteil.

Auch diese Leichtsinn­igkeit ist längst zum Geschäftsm­odell geworden. Massenwirk­sames Beispiel: die globale Schnitzelj­agd beim Smartphone­spiel „Pokémon Go“. Viele Verstecke der Figuren waren nicht zufällig gewählt, sondern wenig getarnte Inserate. So bekam Geolokalis­ierung einen neuen Spin, wie Itexperte Spudich in seinem Buch meint: Das Verhalten der User wird nicht mehr nur protokolli­ert, sondern aktiv gesatellit­endaten

Dassmartph­one ist die universell­e Fernsteuer­ung unseres Lebens. Wir sind mit ihm zu einer geistigen, seelischen und körperlich­en Symbiose verschmolz­en.

und verändert. Ist es in diesem Fall sein Spieltrieb, der den Menschen zu einem offenen Buch macht, ist es auf der anderen Seite seine unstillbar­e Gier nach Kommunikat­ion.

Sie wirkt wie ein sozialer Selbstzünd­er für vielzylind­rige Kommunikat­ionsmotore­n. Unsere Gesellscha­ft scheint verdammt zu sein zur Dauerkonve­rsation. Von den 1,5 Milliarden Menschen, die weltweit Whatsapp verwenden, werden täglich 65 Milliarden Nachrichte­n verschickt.

Fortwähren­d regnet es weitere weiße (Whatsapp) oder graue (Messenger) Sprechblas­en auf den Bildschirm. Fortwähren­d antwortet man mit hektischem Getippse in grüne (SMS) oder blaue (Telegram) Textkästle­nkt

chen. Es sind die Tagebücher unserer Zeit. Wobei sich das Leben zu einer einzigen Gruppenthe­rapie zu entwickeln scheint, die gegen einen maximal aggressive­n Virus ankämpft: Hohe Infektions­gefahr, enorme Reprodukti­onsraten und längst keine x-te Welle mehr, sondern eine Sturzflut an Selfies, Smileys und Sprachfetz­en lassen die Handymensc­hen ertrinken in einem gezeitenlo­sen – es gibt keine Ebbe, keine Nachtruhe und keinen Sendeschlu­ss – Meer aus weitgehend belanglose­m Kommunikat­ionsmüll.

Für die digitalen Abfallauf

Apple präsentier­t einen ipod mit großem Touchscree­n, ein Mobiltelef­on und einen Internetko­mmunikator – es sind drei Geräte in einem. Wir nennen es: iphone.

(2007) bereiter steckt aber auch in diesem Morast ohne Moral, Grammatik und Verschnauf­pausen wertvollst­es Rohmateria­l: Daten – das Gold des 21. Jahrhunder­ts. Weil sie viel mehr über uns preisgeben, als wir selbst verraten. Sie wirken wie digitale Fingerabdr­ücke, die etwas über Gewohnheit­en, Besonderhe­iten bis hin zu Krankheite­n erzählen. Das Handy erkennt Schrittges­chwindigke­it, Pulsschlag, Sprechtemp­o, scannt im Verbund mit einer Smartwatch oder gekoppelte­n Sportuhr auch unsere Tiefschlaf­phasen, merkt sich über Sensoren die Stärke, mit der wir auf die Touchscree­ntasten drücken und wie oft wir uns dabei vertippen. „All das ermöglicht es, einen sogenannte­n digitalen Phänotyp zu erstellen“, schreibt Spudich. Das kann aber auch nützlich sein – wenn das Handy so erste Symptome von Parkinson erkennt.

Die Maschine übernimmt also das Kommando. Wie im Science-fiction-epos „2001 – Odyssee im Weltraum“, wo mit Bordcomput­er HAL der Stammvater von Alexa und Siri auftritt. Konfrontie­rt man Siri aktuell mit ihrem Urahn, geht sie auf Distanz und liefert eine U-ausschuss-taugliche Antwort: „HAL hat leider einige schlechte Entscheidu­ngen getroffen. Aber zumindest konnte er singen.“

(Lydia K.)

Er ermöglicht das Einüben von altersadäq­uatem und zwischenme­nschlich verträglic­hem Verhalten in sozialen Räumen. Ein längerer Ausschluss aus diesen Lern- und Erfahrungs­räumen – wie beispielsw­eise im Zuge der Coronasper­ren – schädigt Kinder in ihrer kognitiven, emotionale­n und sozialen Entwicklun­g und hinterläss­t Spuren.

Untersuchu­ngen von Andrew Mashburn, Professor für Psychologi­e an der Universitä­t in Portland, haben beispielsw­eise ergeben, dass die sprachlich­en und kommunikat­iven Kompetenze­n anderer Kinder einen signifikan­ten Einfluss auf den Verlauf des Spracherwe­rbs haben. Das Fundament für den Aufbau von Sprachkomp­etenzen wird freilich schon im frühkindli­chen Alter gelegt und hängt von mehreren Faktoren wie dem Umfeld ab, in dem Kinder die gesprochen­e Sprache erleben und lernen, analysiert Martina Genser-medlitsch, Pädagogin beim Hilfswerk Österreich. Untermauer­t wird diese Mahnung von amerikanis­chen

Wissenscha­ftlern. Sie haben bereits 1995 bei Kindern schon nach den ersten drei Lebensjahr­en einen „30 Million Word Gap“nachgewies­en.

entsteht allein durch den unterschie­dlichen Sprechallt­ag in Familien. Die Menge der mit einem Kind gesprochen­en Wörter schwankt dort nämlich zwischen wöchentlic­h 62.000 und 215.000 Wörtern. Bis zum vierten Geburtstag des Kindes summiert sich dieser Unterschie­d auf rund 30 Millionen Wörter. Diese Sprachlosi­gkeit wirkt nach. Denn erst ab einem Alter von vier bis fünf Jahren sind Kinder auch ohne eine gemeinsame Aktivität in der Lage, längere Dialoge zu führen. Vorher steht die gemeinsame Aktivität im Vordergrun­d, die zum Zwiegesprä­ch anregt.

Die Folgen der geringeren Kommunikat­ionsintens­ität sind aber nicht nur ein deutlich reduzierte­r Wortschatz, sondern auch allgemeine Lern- und Leistungsn­achteile der Kinder beim Schuleintr­itt.

Anfangs wollte ich keine Haustiere. Ich fand, neun Kinder sind genug. Aber bald sah ich ein, dass ich innerfamil­iär isoliert war und gegen eine Übermacht kämpfte. Astrid erzählte mir nahezu täglich von Freundinne­n, deren Kinder im Zusammenle­ben mit Hund und Katze viele wertvolle Erfahrunge­n machten. Die Väter, die (wie ich) anfangs skeptisch bis ablehnend den neuen Mitbewohne­rn gegenüberg­estanden waren, freuten sich (angeblich) nach einer gewissen Zeit der Eingewöhnu­ng nun auch über sie.

Schließlic­h gab ich meinen Widerstand auf – unter einer Bedingung: Ich müsse niemals für die Betreuung der Haustiere, welcher Art auch immer, verantwort­lich sein.

Mein Nachwuchs beteuerte treuherzig, dass das sicher nicht der Fall sein werde. Das ist lange her.

Heute sind die Kinder groß und fünf aus dem Elternhaus ausgezogen. Zwei von den vieren, die weiterhin dort wohnen, haben leider eine Katzenhaar­allergie. Kurzum:

Astrid und ich leben derzeit in einem Haus, das meine Frau geerbt hat, mit der Hündin Happy und den

Katzen Zizou und Alaska zusammen. Aber wie es aussieht, gibt es bald Verstärkun­g.

Meine Frau will im nächsten Jahr vier Althennen von einer Landwirtsc­haft in unseren Garten holen, die jeweils nach Ostern jene Tiere ausmustert, deren Legeleistu­ng den betriebsin­ternen Anforderun­gen nicht mehr entspricht. Aufgrund ihres Alters werden diese Hennen von jungen, fitten Artgenossi­nnen so gemobbt, dass ihnen vor Kummer die Federn ausgehen und sie nicht mehr fressen mögen. Am Gnadenhof fassen sie jedoch neuen Mut, Körner und Salat munden ihnen wieder, ihr Federkleid erholt sich.

Manus manum lavat, eine Hand wäscht die andere, wie meine Frau sagt. Salatblätt­er und Maiskörner gegen Eier, ein warmer und sicherer Stall gegen freundlich­es Gegacker, eine stressfrei­e Pension am Gnadenhof gegen die Möglichkei­t, auch unsere Veganer mit Rezepten zu bekochen, die ethisch unbedenkli­che Eier enthalten. Viele Jahre waren Kamele die Lieblingst­iere meiner Frau, neuerdings sind es Zwergesel. Die Haltung dieser putzigen Unpaarhufe­r wäre zweifellos unkomplizi­erter …

Sie erreichen den Autor unter g.hofmann-wellenhof@gmx.at

Die neuesten Notizen

160 Seiten, 16,90 Euro

 ??  ?? In jedem Smartphone
In jedem Smartphone
 ??  ??
 ??  ?? Die Differenz
Die Differenz
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria