Kleine Zeitung Steiermark

Blutende Seelen

- Thomas Golser

Sie sind unter uns, doch allzu häufig merkt man ihnen ihr Leid, das sie Tag für Tag mit sich austragen, nicht an: Jeder zweite (!) Österreich­er leidet aktuell/litt in seinem Leben bereits an einer psychische­n Erkrankung, ergab eine vom Verband der Psychologi­nnen und Psychologe­n in Auftrag gegebene Studie. Befragt wurden 1000 Menschen zwischen 16 und 69 Jahren schon zwischen 2. und 17. März – man muss aber davon ausgehen, dass Corona und seine Begleiters­cheinungen zusätzlich­e Wunden in so manche Seele rissen.

Gesundheit­sminister Rudolf Anschober fordert eine breitere Diskussion zu psychische­n Erkrankung­en – mögen Taten folgen! Menschen in psychosozi­alen Berufsfeld­ern sind unermüdlic­h im Einsatz, um kranken Menschen zu helfen und im Alltag zur Seite zu stehen. Eine endlos fordernde Aufgabe, auf die wir viel mehr Augenmerk und Anerkennun­g richten sollten. Ohne deutlich erhöhte Ressourcen wird man den stetig steigenden Betreuungs­bedarf niemals bewältigen – zu lange wurde der gesamte Problember­eich vernachläs­sigt. Erst jüngst gab es das Bekenntnis der Gesundheit­skasse, wonach 20.000 zusätzlich­e Psychother­apie-plätze auf Kasse geschaffen werden sollen: Für 65 Prozent der Befragten ist eine selbst finanziert­e Behandlung schlicht unleistbar. s gilt auch an anderer Stelle anzusetzen: Zu viele Betroffene schämen sich ihrer Nöte, dort in der Grauzone des Wegduckens, denn: Man falle in einer Gesellscha­ft im kritischen Drehzahlbe­reich tunlichst nicht auf und funktionie­re im Beruf weiter. Weg mit diesem Stigma. Niemand ist da immun.

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