Blutende Seelen
Sie sind unter uns, doch allzu häufig merkt man ihnen ihr Leid, das sie Tag für Tag mit sich austragen, nicht an: Jeder zweite (!) Österreicher leidet aktuell/litt in seinem Leben bereits an einer psychischen Erkrankung, ergab eine vom Verband der Psychologinnen und Psychologen in Auftrag gegebene Studie. Befragt wurden 1000 Menschen zwischen 16 und 69 Jahren schon zwischen 2. und 17. März – man muss aber davon ausgehen, dass Corona und seine Begleiterscheinungen zusätzliche Wunden in so manche Seele rissen.
Gesundheitsminister Rudolf Anschober fordert eine breitere Diskussion zu psychischen Erkrankungen – mögen Taten folgen! Menschen in psychosozialen Berufsfeldern sind unermüdlich im Einsatz, um kranken Menschen zu helfen und im Alltag zur Seite zu stehen. Eine endlos fordernde Aufgabe, auf die wir viel mehr Augenmerk und Anerkennung richten sollten. Ohne deutlich erhöhte Ressourcen wird man den stetig steigenden Betreuungsbedarf niemals bewältigen – zu lange wurde der gesamte Problembereich vernachlässigt. Erst jüngst gab es das Bekenntnis der Gesundheitskasse, wonach 20.000 zusätzliche Psychotherapie-plätze auf Kasse geschaffen werden sollen: Für 65 Prozent der Befragten ist eine selbst finanzierte Behandlung schlicht unleistbar. s gilt auch an anderer Stelle anzusetzen: Zu viele Betroffene schämen sich ihrer Nöte, dort in der Grauzone des Wegduckens, denn: Man falle in einer Gesellschaft im kritischen Drehzahlbereich tunlichst nicht auf und funktioniere im Beruf weiter. Weg mit diesem Stigma. Niemand ist da immun.
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