Zar auf Lebenszeit
Wladimir Putin hat seine „Operation Machterhalt bis 2036“mit dem Referendum erfolgreich über die Bühne gebracht. Zukunftsfit macht er sein Land damit sicher nicht.
Da hat jetzt also einer was zu feiern: Nach insgesamt 20 Jahren an der Spitze Russlands hat sich Wladimir Putin von seinem treuen Volke die Möglichkeit absegnen lassen, noch ein kleines Weilchen – bis 2036 – die Geschicke der Nation zu führen: länger als jeder Zar seit Peter dem Großen. Das muss ihm erst einmal einer nachmachen. Seine bisherigen Amtszeiten werden einfach gestrichen, Putins Zeitrechnung beginnt wieder bei null. Die Opposition spricht von einem Verfassungsputsch.
Tatsächlich haben die Staatsmedien, die emsig die Werbetrommeln rührten, die Gewinnspiele, die die Bürger motivieren sollten, und womöglich, wie Kritiker behaupten, auch Ungereimtheiten bei der Stimmabgabe nachgeholfen. Doch das ändert nichts daran: Putin bleibt in Russland konkurrenzlos – und das war auch eines der Ziele, die er mit der im Eilzugstempo durchgezogenen Verfassungsänderung verfolgte.
Nach bisheriger Regelung hätte Putin 2024 abtreten müssen. Doch was bedeutet das für ein Land, in dem alle Fäden in einem Machtzentrum zusammenlaufen; wo die übrigen Institutionen des Staates, vom Parlament bis zu den Gerichten, gezielt geschwächt wurden und seit Jahren kein Platz mehr ist für kontroverse politische Diskussion oder gar das Heranwachsen noch anderer Führungsfiguren? Moskaus Bürgermeister Sobjanin warnte nicht ganz zu Unrecht vor einem Risiko für die Stabilität des Landes, sollte Putin abtreten. Und dieser selbst hat ohnehin kein Interesse an einem Wechsel, der offen lässt, wie sein eigenes Schicksal danach aussehen wird. Jetzt bleibt also alles beim Alten – im doppelten Sinn. Die Autokratie wird festgezurrt.
Für Russland und seine Bevölkerung ist das Ereignis ein Schlag ins Gesicht. Viele der Erfolge, die Putin in seinen ersten Amtsjahren verzeichnen konnte, wurden in den vergangenen Jahren verspielt. Dazu kam jetzt Corona – und ein Staat, der zwar darauf achtete, seine eigenen Reserven zu schützen, der Bevölkerung aber nur minimal unter die Arme griff. Nichts an jetzigen Änderungen der Verfassung trägt etwas zur Lösung der Probleme bei, die seit Jahren die Entwicklung des flächenmäßig größten Landes der Welt hemmen: Die Abhängigkeit von Öl und Gas – dessen Preis in der Coronakrise in den Keller rasselte. Die mangelnde Rechtssicherheit für Unternehmer; die Reallohn-verluste der Bevölkerung; die massive Repression aller Stimmen, die abweichen von dem, was der Staat vorgibt, und die letztlich auch das kreative Potenzial des Riesenreiches unterdrückt. Stattdessen wird die bisher zumindest auf dem Papier bestehende Unabhängigkeit der Justiz endgültig ausgehebelt, indem der Präsident künftig die Absetzung von Richtern beantragen kann. as System Putin wird einzementiert. Die Frage, wie jemals ein demokratischer Übergang zu einer neuen Führungsfigur aussehen könnte, bleibt ungelöst. Für die Jungen in Russland, die sich nach Veränderung sehnen, bedeutet das einmal mehr: null Zukunft.
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