Kleine Zeitung Steiermark

Wann weniger Alimente zu zahlen sind

- Im Idealfall

Die Coronakris­e bedeutet für viele Menschen Einkommens­einbußen – wie sich das auf die

Unterhalts­verpflicht­ungen auswirkt.

Mit der Sorge ums wirtschaft­liche Überleben stellt sich für unterhalts­pflichtige Elternteil­e derzeit immer öfter die Frage, unter welchen Voraussetz­ungen eine Reduktion der Alimente gerechtfer­tigt sein könnte. „Die Gerichte werden sich in Zukunft verstärkt mit Unterhalts­herabsetzu­ngen auseinande­rsetzen müssen“, ist die Wiener Rechtsanwä­ltin und Spezialist­in für Familienre­cht, Katharina Braun, überzeugt.

Grundsätzl­ich sind beim Kindesunte­rhalt, wie die Juristin erklärt, immer Umstandsän­dezu berücksich­tigen. „Der Kindesunte­rhalt ist daher dem tatsächlic­hen Einkommen des Unterhalts­pflichtige­n anzupassen. Und eine Einkommens­veränderun­g um mehr als zehn Prozent berechtigt der Rechtsprec­hung zufolge zu einer Unterhalts­anpassung.“Bei einer künftigen Unterhalts­bemessung ist maßgebend, ob das in der Vergangenh­eit erzielte Einkommen darauf schließen lässt, dass der Unterhalts­pflichtige auch weiterhin ein Einkommen in ähnlicher Höhe erzielen kann. Spekulatio­nen über einen künftigen möglichen Verdienste­ntgang würden für eine Unteraber nicht ausreichen.

„Der Verdienstg­ang ist gesichert darzustell­en“, betont Braun. Ein Beispiel: „Bei einem freiberufl­ichen Pianisten wird der Covid-19-bedingte Konzertaus­fall wohl unstrittig sein.“

Bei Angestellt­en ist der Nachweis für Gehaltsein­bußen mithilfe der Gehaltsunt­erlagen grundsätzl­ich einfach zu erbringen. „Bei Selbststän­digen hingegen ist aber bereits in normalen Zeiten die Ermittlung der Bemessungs­grundlage mitunrunge­n ter sehr komplex“, sagt Braun und ergänzt: „Sofern nicht gesicherte aktuelle Daten zur Verfügung stehen, wird grundsätzl­ich das Durchschni­ttseinkomm­en der letzten drei Jahre herangezog­en. Bei stark schwankend­en Einkommen kommt es auch zu einem längeren Beobachtun­gszeitraum.“Kleiner Nachsatz: „Der Einkommens­teuerbesch­eid ist nicht ident mit der Unterhalts­bemessungs­grundlage. Gegenüber dem Staat kann man mehr absetzen, als dies gehaltsher­absetzung

genüber dem Unterhalts­berechtigt­en der Fall ist. Bei Selbststän­digen wird daher auch auf die Entnahmen, auf die Kosten der Lebensführ­ung geachtet.“

Wichtig zu wissen: „Auch staatliche Unterstütz­ungen sind, wenn sie nicht dem Ausgleich eines bestimmten Mehraufwan­des dienen, Einkommen.“Staatliche Unterstütz­ungen wie auch jene aus dem Covid-19-maßnahmenp­aket stellen demnach Einkommen dar. „Und zwar auch dann, wenn der Unterhalts­pflichtige sie gar nicht beantragt hat, sie aber hätte beziehen können“, warnt Braun und weist auf den Grundsatz hin, dass Unterhalts­pflichtige alles unternehme­n müssen, um ihren Umsatzentg­ang auszugleic­hen. „Dazu kann auch gehören, dass man versucht, Einkommens­einbußen durch Online-geschäftsa­ktivitäten auszugleic­hen.“

Aber was ist bei einem Einkommens­rückgang nun die richtige Vorgangswe­ise im Hinblick auf eine Unterhalts­verpflicht­ung? „Sie sollten keinesfall­s eigenmächt­ig die Zahlungen reduzieren“, warnt Braun, denn dies habe in der Praxis die fatale Auswirkung, dass der Unterhalt dann – unter Einbeziehu­ng des Arbeitgebe­rs – exekutiert wird. „Solange nicht ein Gericht über die Unterhalts­herabsetzu­ng rechtswirk­sam entschiede­n hat, gilt immer die alte Unterhalts­verpflicht­ung“, erklärt die Anwältin den Hintergrun­d und empfiehlt, bei Einkommens­einbußen die Überweisun­g der festgelegt­en Summen „vorbehaltl­ich der Rückforder­ung“zu tätigen. Denn andernfall­s könne in der Vergangenh­eit zu viel bezahlter Unterhalt möglicherw­eise später nicht rückgeford­ert werden – etwa wenn sich der Unterhalts­berechtigt­e mit Erfolg auf den Einwand des sogenannte­n „gutgläubig­en Verbrauchs“beruft.

wird eine neue Unterhalts­vereinbaru­ng als Vergleich bei Gericht oder Einigung beim Jugendamt geschlosse­n, nachdem der Unterhalts­zahler schriftlic­h bekannt gegeben hat, dass sich sein Einkommen reduziert hat. „Sollte es zu keiner Einigung kommen, muss der Unterhalts­pflichtige einen Unterhalts­herabsetzu­ngsantrag beziehungs­weise im Fall einer Exekutions­führung eine Opposition­sklage bei Gericht einbringen“, erklärt Braun das Prozedere.

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ADOBE STOCK Der Kindesunte­rhalt muss zum tatsächlic­hen Einkommen passen
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Katharina Braun, Rechtsanwä­ltin
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