Wahlkampfstimmung noch vor der Kandidatur
Finanzloch, Fußball und Filmwirtschaft: ORF-CHEF Alexander Wrabetz schraubt am künftigen ORF.
Der Blick zurück strukturiert den Blick nach vorne. Und um Strukturen geht es Orfgeneraldirektor bei seinem Strategiepapier 2021-2025, das er, wie berichtet, gemeinsam mit einem Kernteam des Stiftungsrates über den Sommer entwickeln will. Davor zog Wrabetz im Gespräch mit Medienjournalisten Bilanz über das turbulente erste Halbjahr und die durch Corona finanziell angespannte Situation des öffentlich rechtlichen Senders.
„Wir haben ein großes Ergebnisproblem bekommen“, sagt Wrabetz ohne Umschweife. Einnahmenseitig fehlen Werbegelder und Rundfunkgebühren. Ausgabenseitig entstanden Mehrkosten, etwa in der Filmproduktion durch längere Dreharbeiten. Weshalb insgesamt, Stand heute, ein 75 Millionen Euro Loch zu füllen ist. Für 2020 bedeutet dies einen operativen Verlust von rund 30 Millionen Euro. Der Fehlbetrag wäre höher, wären nicht Großereignisse wie die Olympischen Sommerspiele auf 2021 verschoben worden: Die Kosten dieser Großereignisse, rund 35 Millionen Euro, werden folglich erst im nächsten Jahr schlagend. Mildernd wirkt sich auch die bis September verlängerte Kurzarbeit aus: Sechs bis sieben Millionen Euro werden so gespart, so Wrabetz, der 2021 wieder schwarze Zahlen schreiben will. Wo wird also der Sparstift angesetzt? „Das Programm soll in möglichst großem Umfang beibehalten werden“, erklärt der 60-Jährige. Manches könne man jedoch billiger produzieren. Aber auch einen Personalabbau schließt er nicht aus: Zu den planmäßig bis Ende 2021 abzubauenden 300 Stellen könnten weitere folgen. Nicht sparen will Wrabetz bei der österreichischen Filmwirtschaft: „Wir halten die Zusage ein, 100 Millionen Euro zu investieren.“Das entspricht dem Betrag der vergangenen Jahre.
hat indes auch Spuren im Tv-programm hinterlassen: Die Durchschaltung der ZIB 1 in ORF 1 bleibt vorerst bis Ende August, darüber hinaus wird an einer unbefristeten Lösung gearbeitet. Überlegung, die ZIB wieder in den Einser zu holen hatte es schon zuvor gegeben, offen war bislang die Frage nach den Programmeffekten. Corona lieferte die Antwort: ORF 2 verlor durch die Durchschaltung keine Zuschauer, ORF 1 gewann Publikum hinzu.
Änderungen könnte es im Nachfolgeprogramm der ZIB geben: Über die Ausgestaltung von „Wetter“, „Sport Aktuell“und „Seitenblicke“wird im Sommer entschieden. Die „Seitenblicke“werden jedenfalls, geht es nach Wrabetz, spätestens Anfang August ins Programm zurückkehren.
Kein durchschlagender Erfolg ist bisher die Rückkehr der Bundesliga-livespiele. Jüngstes Beispiel: Austria Wien gegen den SKN St. Pölten verfolgten im ORF zuletzt im Schnitt rund 90.000 Tv-zuschauer. Wrabetz sagt trotzdem: „Ich bin nicht unzufrieden“. Eine längerfristige Rückkehr der Bundesliga kann sich er sich aus finanziellen Gründen eher nicht vorstellen. Anders bei der Formel 1: Hier steht eine Entscheidung unmittelbar bevor.
Ob Wrabetz für eine vierte Periode als Generaldirektor kandidieren wird, lässt er noch offen. Alles andere als eine Kandidatur wäre eine Überraschung. „Structure follows strategy“– die Struktur folgt der Strategie, sagt Wrabetz dazu. Zuerst das Strategiepapier. Danach folgen die Personalentscheidungen. 2025 wäre Wrabetz, dann 65, fast zwei Jahrzehnte ORF-CHEF gewesen.