Kleine Zeitung Steiermark

Ein Barde wird zum Zünglein an der Waage

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Kroatien hält am Sonntag Parlaments­wahlen ab. Erwartet wird ein knappes Rennen zwischen HDZ und SDP – ein Populist und früherer Sänger könnte auf Platz drei Königsmach­er werden.

Kroatien ist ein sicheres Land“– so lautet einer der Wahlkampfs­pots, mit denen der Vorsitzend­e der konservati­ven Regierungs­partei HDZ, Ministerpr­äsident Andrej Plenkovic´, um Stimmen für die Parlaments­wahl am Sonntag wirbt. Der Spot steht ganz im Zeichen der Corona-epidemie; gezeigt werden Rot-kreuzkräft­e im Einsatz mit Masken, Geschäfte, in denen Verkäuferi­nnen Masken tragen, aber auch Baustellen. Plenkovic´ verkündet dabei den Willen, die Zukunft Kroatiens zu gestalten, weil er und die HDZ wissen, was zu tun sei. Im „Land der tausend Inseln“hat das Coronaviru­s und seine Folgen nicht nur den Wahlkampf geprägt, sondern war auch der Anlass dafür, dass die Wahl von September auf Juli vorverlegt wurde. Die kompromiss­losen Maßnahmen im Kampf gegen die Pandemie führten dazu, dass zunächst das Vertrauen in den Krisenstab und die Umfragewer­te für die Regierung sehr gut waren.

Diesen Kredit haben beide jedoch nach Umfragen in den vergangene­n Wochen weitgehend verspielt. Dazu beigetrage­n haben Entscheidu­ngen des Krisenstab­es, die die Bürger als parteipoli­tisch motiviert aufgefasst haben. Dazu zählt die neuerliche Öffnung der Grenzen zum Nachbarlan­d Bosnien und Herzegowin­a, obwohl gerade Einreisend­e aus diesem Land eine Ursache dafür sind, dass die Coronazahl­en wieder steigen. Nach der Volkszählu­ng des Jahres 2013 leben etwa 545.000 Kroaten in Bosnien und Herzegowin­a; etwa 90 Prozent dürfen auch einen kroatische­n Pass haben; das Wahlrecht in Bosnien haben nach Angaben der ZenWahlkom­mission in Zagreb knapp 100.000 Personen. Doch bosnische Kroaten dürften zum Teil auch in Kroatien gemeldet sein. Wählen kann man in Kroatien aber nur an seinem Wohnort, Wahlkarten gibt es nicht. Die bosnischen Kroaten stimmen mit großer Mehrheit für die HDZ, daher liegt der Gedanke nahe, dass die Grenzöffnu­ng – abgesehen von touristisc­hen Überlegung­en – politisch motiviert ist.

Aber auch Andrej Plenkovic´ schwächte sich selbst und seine Reputation im Kampf gegen das Virus. Denn er traf in Kroatien den serbischen Tennisstar Novak Djokovic´, der sich mit dem Virus infiziert hatte; doch Plenkovic´ weigerte sich, in Quarantäne zu gehen, was massive Kritik nicht nur seiner politische­n Gegner hervorrief. Diesen Fehler konnte der Regierungs­chef auch durch die Vorlage eines negativen Coronatest­s bei der ersten von zwei Tv-konfrontat­ionen mit dem sozialdemo­kratischen Herausford­erer Davor Bernadic´ nicht wettmachen. Bei der Debatte schnitt Bernadic´ besser ab als erwartet, während

Plenkovic´ seinem Image völlig gerecht wurde, ein überheblic­her Politiker zu sein.

Umfragen sagen jedenfalls ein knappes Rennen zwischen dem konservati­ven und dem sozialdemo­kratischen Wahlbündni­s voraus. Die HDZ hat zwei Kleinparte­ien im „Gepäck“, die sozialdemo­kratische Koalition, die unter dem Namen „Restart“(Neustart) antritt, besteht neben der SDP aus weiteren sechs Parteien. „Wähle und ändere“lautete die zentrale Botschaft der SDP, die für ein Land ohne Diskrimini­erung, Armut und Korruption wirbt, denn führende Regierungs­mitglieder waren in diverse Affären verstrickt. Zentrale Themen des Wahlkampfe­s waren die Coronakris­e, ihre wirtschaft­lichen Folgen sowie die Frage, ob die Regierung den Bürgern der Hauptstadt rasch und effizient geholfen hat, die im März auch noch durch ein schweres Erdbeben getroffen wurden.

Das Parlament zählt 151 Abgeordnet­e, die absolute Mehrheit liegt bei 76 Mandaten. Nach Umfragen können die beiden führenden Blöcke jeweils mit 55 bis 60 Sitzen rechnen, sind sotralen

mit klar von der absoluten Mehrheit entfernt. Hinzu kommt, dass die Stärke vor allem der SDP auch davon abhängt, wie viele Sitze auf ihre Bündnispar­tner entfallen. So hat die SDP derzeit im Parlament nur 29 Sitze, die HDZ aber 55. Bereits in der Vergangenh­eit litt die SDP unter unsicheren Kantoniste­n, die sich von der HDZ abwerben ließen. Selbst wenn die Sozialdemo­kraten in der Wahlnacht in Kroatien vorne liegen sollten, ist das somit keineswegs ein sicheres Signal für einen Machtwechs­el.

Hinzu kommt, dass das Koalitions­potenzial der Sozialdemo­kraten geringer sein dürfte als das der HDZ – jedenfalls dann, wenn der ehemalige Sänger und nationalis­tische Populist Miroslav Sˇkoro Wort hält. Er sollte mit seiner „Heimatbewe­gung“am Sonntag klar den dritten Platz belegen, und ihm dürfte die Rolle des Königsmach­ers zufallen. Sˇkoro hat eine Koalition mit der SDP ausgeschlo­ssen, mit der HDZ ist er zu einem Bündnis ohne Plenkovic´ bereit. Doch in Kroatien gelten Verspreche­n vor der Wahl nicht be

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IMAGO Gespenstis­che Leere in Dubrovnik: Im Urlauberho­tspot bleiben die Touristen noch aus
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