„Kritiker sollen nirgendwo mehr Platz haben“
In Hongkong trat am 1. Juli das „Sicherheitsgesetz“in Kraft. Isaac Cheng von der Widerstandsgruppe Demosisto, zu deren Auflösung und dem Kampf für Demokratie.
genommen werden darf. „Im Zweifel für den Angeklagten“gilt nicht mehr, der Angeklagte hat die Beweislast für seine Unschuld. Wer in Hongkong für oppositionelle Tätigkeiten festgenommen wird, kann vor ein Gericht in Festlandchina geladen werden.
Gegen all dies hat Ihre Bewegung, die vor allem aus jungen Menschen besteht, seit Jahren Oppositionsarbeit geleistet. Sahen Sie das, was jetzt da ist, auch im Detail schon lange kommen?
Was uns überrascht hat, war das schnelle Tempo, die Intransparenz und die Dreistigkeit, mit der die Sache jetzt durchgezogen wurde. Die von Peking eingesetzte Hongkonger Stadtregierung hat über Jahre versucht, Hongkong quasi den chinesischen Gesetzen unterzuordnen. Aber die Opposition der Bevölkerung war sehr stark. Jetzt nahm einfach der Kongress in Peking die Sache in die Hand. Erst zwei Wochen im Voraus hat man davon erfahren, als chinesische Staatsmedien berichteten. Und der genaue Inhalt des Gesetzes kam erst mit dessen Verabschiedung raus. Es gilt aber mit sofortiger Wirkung.
In Hongkong besteht jetzt also ein Gesetz, das die Mehrheit derer, die es anwenden, noch kaum kennt.
So ist es. Niemand hatte Zeit, sich vorzubereiten. Vieles ist unklar. Man muss jetzt befürchten, dass man für Aktionen, die vorher legal waren, jetzt hohe Strafen erhält. Weil man kaum weiß, wie das Gesetz angewandt wird. Es schließt im Prinzip sogar Menschen im Ausland mit ein, die bei der Ankunft in Hongkong festgenommen werden könnten. Für alles, was die chinesische Regierung für staatsfeindlich hält, kann man lange ins Gefängnis kommen.
Wie geht es mit Peking-kritischen Politikern weiter, die in das Stadtparlament gewählt wurden?
Die haben Post erhalten: Darin werden sie aufgefordert, ihre Treue zum Sicherheitsgesetz zu beschwören. Wer verweigert, kann sein Mandat verlieren. Kritische Stimmen sollen nirgendwo mehr Platz haben.
In Festlandchina ist das „Socialcredit“-system etabliert worden, nach dem die Regierung Informationen über die Bürger sammelt, diese bewertet und davon abhängig Bürger unterschiedlich behandelt. Das könnte nun auch auf Hongkong zukommen.
Die Hongkonger Regierung hat behauptet, dass das nicht gegewahrsam schehen wird. Aber es sind auch schon Dokumente erschienen, nach denen der Einsatz des Systems noch 2020 geplant ist. Über die letzten Jahre wurden in Hongkong viele Kameras an öffentlichen Plätzen installiert.
Personen wie Sie werden wohl mit Minuspunkten starten. Sie wurden mehrfach inhaftiert.
Meine Punktzahl wird schlecht sein, ja. Aber wir werden uns für das einsetzen, was richtig ist. Wir werden neue Formen des Widerstands finden.
Die britische Regierung hat Hongkonger Bürgern angeboten, nach Großbritannien zu ziehen – auch für Sie eine echte Option?
Kein Hongkonger wird sich leicht damit tun, seine Heimat zu verlassen. Aber für viele von uns mag es die beste Wahl sein, weil ein Umzug Sicherheit garantieren würde. Auf mich trifft das nicht zu. Ich bin 1999 geboren worden. Die britische Regierung hat das Angebot nur an Personen gemacht, die vor der Übergabe Hongkongs an China 1997 zur Welt gekommen sind.
lehrt Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien