Kleine Zeitung Steiermark

Europäisch­e Union auf Kurs

- Martin G. Kocher

Die Coronakris­e hat die europäisch­en Institutio­nen aufgerütte­lt. So schwach die EU und insbesonde­re die Kommission von März bis Mai agiert hat, so umfangreic­h und mutig sind jetzt die Pläne für das kommende Halbjahr. Die politische Schwäche in den vergangene­n Monaten ist natürlich auch der Tatsache geschuldet, dass die Eu-kommission im Gesundheit­sbereich sehr eingeschrä­nkte Kompetenze­n hat. Aber auch die intergouve­rnementale Zusammenar­beit in Europa hat in der Krise bisher schlecht funktionie­rt. Mit viel Wohlwollen kann man das auf die Überbelast­ung der nationalen Regierunge­n infolge der Bekämpfung der Pandemie schieben. Mit etwas weniger Wohlwollen betrachtet, gab es zwischen den Eu-staaten einfach zu wenig Kommunikat­ion, zu wenig Koordinati­on und zu wenig Solidaritä­t. Das wird in den kommenden Monaten anders. Der Zufall will es, dass mit Deutschlan­d das größte Land Europas gerade die Ratspräsid­entschaft übernommen hat, dass die Bundeskanz­lerin kurz vor dem Ende ihrer letzten Amtszeit steht und daher der Fokus auf ihr historisch­es Erbe gerichtet sein wird, dass an der Kommission­sspitze eine sehr gute Bekannte der Kanzlerin sitzt und dass das kürzlich ergangene Urteil des Bundesverf­assungsger­ichtshofs gegen die Geldpoliti­k der Europäisch­en Zentralban­k die deutsche Regierung zusätzlich unter Druck setzt, Europa zu stärken. lles deutet daher darauf hin, dass es sowohl beim mittelfris­tigen Finanzrahm­en, dem Eubudget, als auch bei den Coronahilf­en, dem vorgeschla­genen Paket im Umfang von insgesamt 750 Milliarden Euro, rasch Kompromiss­e geben wird. Aber wieder mal wird vor allem das Scheckheft einiger Länder gezückt und damit grundlegen­de Ungleichge­wichte und Entscheidu­ngsunvollk­ommenheite­n in der EU zugedeckt. Die Konferenz zur Zukunft Europas wird weisen, ob es gelingt, zumindest einige der institutio­nellen Konstrukti­onsmängel der EU und der Eurozone zu beseitigen. Vielleicht können dafür dieses Halbjahr auch schon erste Weichen gestellt werden. Das wäre auch im Interesse Österreich­s.

leitet das Institut für Höhere Studien in Wien und ist Professor an der Universitä­t Wien

„So schwach die EU und insbesonde­re die Kommission von März bis Mai agiert hat, so umfangreic­h und mutig sind jetzt die Pläne.“

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