Europäische Union auf Kurs
Die Coronakrise hat die europäischen Institutionen aufgerüttelt. So schwach die EU und insbesondere die Kommission von März bis Mai agiert hat, so umfangreich und mutig sind jetzt die Pläne für das kommende Halbjahr. Die politische Schwäche in den vergangenen Monaten ist natürlich auch der Tatsache geschuldet, dass die Eu-kommission im Gesundheitsbereich sehr eingeschränkte Kompetenzen hat. Aber auch die intergouvernementale Zusammenarbeit in Europa hat in der Krise bisher schlecht funktioniert. Mit viel Wohlwollen kann man das auf die Überbelastung der nationalen Regierungen infolge der Bekämpfung der Pandemie schieben. Mit etwas weniger Wohlwollen betrachtet, gab es zwischen den Eu-staaten einfach zu wenig Kommunikation, zu wenig Koordination und zu wenig Solidarität. Das wird in den kommenden Monaten anders. Der Zufall will es, dass mit Deutschland das größte Land Europas gerade die Ratspräsidentschaft übernommen hat, dass die Bundeskanzlerin kurz vor dem Ende ihrer letzten Amtszeit steht und daher der Fokus auf ihr historisches Erbe gerichtet sein wird, dass an der Kommissionsspitze eine sehr gute Bekannte der Kanzlerin sitzt und dass das kürzlich ergangene Urteil des Bundesverfassungsgerichtshofs gegen die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank die deutsche Regierung zusätzlich unter Druck setzt, Europa zu stärken. lles deutet daher darauf hin, dass es sowohl beim mittelfristigen Finanzrahmen, dem Eubudget, als auch bei den Coronahilfen, dem vorgeschlagenen Paket im Umfang von insgesamt 750 Milliarden Euro, rasch Kompromisse geben wird. Aber wieder mal wird vor allem das Scheckheft einiger Länder gezückt und damit grundlegende Ungleichgewichte und Entscheidungsunvollkommenheiten in der EU zugedeckt. Die Konferenz zur Zukunft Europas wird weisen, ob es gelingt, zumindest einige der institutionellen Konstruktionsmängel der EU und der Eurozone zu beseitigen. Vielleicht können dafür dieses Halbjahr auch schon erste Weichen gestellt werden. Das wäre auch im Interesse Österreichs.
leitet das Institut für Höhere Studien in Wien und ist Professor an der Universität Wien
„So schwach die EU und insbesondere die Kommission von März bis Mai agiert hat, so umfangreich und mutig sind jetzt die Pläne.“
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