Der Kronprinz und die Knochensäge

Den Prozess im Mordfall Khashoggi braucht er nicht zu fürchten.

Hat der saudische Kronprinz persönlich den Auftrag zum Mord an Jamal Khashoggi erteilt? Ob der Prozess, der gestern vor einem Gericht in Istanbul begann, der Frage näherkommen wird, bleibt abzuwarten. Angeklagt sind 20 saudische Bürger, darunter der damalige stellvertretende Geheimdienstchef der Kronprinzen und ein weiterer enger Vertrauter. Doch von den Angeklagten wird keiner anwesend sein, und über den mittlerweile arg in Verruf geratenen saudischen Thronfolger wird ja nicht verhandelt.

Dabei tauchten nach dem brutalen Mord zahlreiche Berichte auf, die eine Verstrickung des Kronprinzen nahelegen. So soll er seinen Bruder Khaled beauftragt haben, Khashoggi „so schnell wie möglich zum Schweigen zu bringen“. Der saudische Regimekritiker hatte am 2. Oktober 2018 das saudische Konsulat in Istanbul betreten, um Dokumente für seine Hochzeit abzuholen. Verlassen hat er es, so legen Bilder von Überwachungskameras nahe, in Plastiksäcken. Die Kettensäge, mit der er zerstückelt wurde, wurde später am Flughafen entdeckt. Auch Agnès Callamard, Berichterstatterin der Vereinten Nationen, hatte nach ihrer Untersuchung des Falles Mohammed bin Salman belastet. Längst wird MBS, wie er abgekürzt genannt wird, als „Mister Bone Saw“verspottet – nach der Knochensäge. Die saudische Regierung hatte den Mord nach langem Leugnen eingeräumt. Doch der Kronprinz selbst wäscht bis heute seine Hände in Unschuld.

Bin Salman galt anfangs als Reformer und „Traumprinz“der saudischen Politik – immerhin erlaubte er den Frauen das Autofahren und sprach Israel das Recht auf eigenes Land zu. Doch die Hoffnungen haben sich längst zerschlagen. Im Jemen brach er einen Krieg mit enormem Blutzoll vom Zaun; gegen politische Gegner geht er mit voller Härte vor. Mittlerweile haben die Söhne Khashoggis den Tätern „vergeben“– gegen einen hohen Geldbetrag. Der Kronprinz hat sich, so scheint es, geschickt aus der Affäre gezogen und seinen Thron gesichert.