Gefordert wie noch nie
Globale Verwerfungen, regionale Folgen: Die Krise führt in vielen Betrieben zu Personalabbau im großen Stil. Die Voestalpine wird leider nicht das letzte Beispiel dafür bleiben.
Ob Swarovski in Wattens, MAN in Steyr, der drohende Kahlschlag bei ATB in Spielberg oder der – nun auch in Zahlen gegossene – Abbau von bis zu 550 Arbeitsplätzen bei der Voestalpine. Die vergangenen Tage hielten zahlreiche Hiobsbotschaften bereit. Die Coronakrise hat ganze Geschäftsmodelle ins Wanken gebracht und hinterlässt tiefe Furchen. Und überall dort, wo bereits davor Probleme virulent waren, wurde die Pandemie auch zum wirtschaftlichen Brandbeschleuniger.
Das zeigt sich am Beispiel der Voestalpine. Die nun vom Stellenabbau betroffenen Segmente, die Produktion von Nahtlosrohren für die Öl- und Gasindustrie sowie die Fertigung von Hightech-luftfahrtkomponenten, standen schon länger unter Druck. Die seit Jahren niedrigen Ölpreise haben Investitionen in diesem Bereich weltweit eingebremst. Die Coronakrise, die nun den globalen Ölriesen teils zweistellige Milliardenverluste einbrockt, hat die Lage weiter verschärft. In der Flugzeugindustrie ist die Krisengenese diffiziler. Noch Anfang 2019 war im Zusammenhang mit dem Flugverkehr von einem „Daueraufschwung“die Rede. Prognostiziert wurde, dass bis 2030 weltweit rund 30.000 neue zivile Flugzeuge gebaut werden. Für Hochtechnologie-unternehmen wie die Voestalpine bot sich so auch die Chance, Abhängigkeiten von den Launen der Autoindustrie zu reduzieren. Doch dann folgte zuerst die große Krise des Us-flugzeugbauers Boeing, und mit Corona sind die einstigen euphoriegetränkten Prognosen endgültig Makulatur.
Diese globalen Verwerfungen und ihre regionalen Folgen zeigen schonungslos, wie groß die Herausforderungen auf dem heimischen Arbeitsmarkt tatsächlich sind. Und bleiben. Die Kurzarbeit war und ist zweifellos ein wichtiges Modell, um die andauernde Schwächephase zu überbrücken. In vielen Betrieben gelingt das sehr gut. Doch es wird deutlich, dass es Sektoren gibt, in denen dieses Instrument schlicht nicht (mehr) ausreicht.
Es wird also nicht überbrückt, sondern gekündigt. Es hat nichts mit Schwarzmalerei in ohnehin dunklen Zeiten zu tun, wenn Arbeitsmarktexperten bange in Richtung Herbst blicken. Es braucht Realismus. Denn diese Krise macht eben gnadenlos deutlich, dass auch gut qualifizierte Beschäftigte betroffen sind, in Bereichen, die bisher als absolute Zukunftsfelder gehandelt wurden. Auf der anderen Seite verfestigt sich bei jenen Gruppen, die es am Arbeitsmarkt seit jeher schwer haben, bereits jetzt die Langzeitarbeitslosigkeit. Antworten auf diese – von Extremen geprägte – Gemengelage zu finden, wird Politik und Wirtschaft über Jahre wie noch nie fordern. ktive Arbeitsmarktpolitik, ein beliebter politischer Terminus, der in der Umsetzung aber leider allzu häufig ein Schattendasein fristete, wird wichtiger denn je. Die Regierung hat zuletzt die Weichen für eine Corona-arbeitsstiftung gestellt. Sie soll Weiterbildungen sowie Umschulungen für bis zu 100.000 Betroffene unterstützen. Ein ambitioniertes Projekt, das ab Herbst startklar sein soll – und damit keinen Tag zu früh.
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