Kleine Zeitung Steiermark

Sie rüttelt ein ganzes Land wach

In Weißrussla­nd fordert eine junge Frau Diktator Lukaschenk­o heraus.

- Nina Koren

Sie hat sich wohl auch selbst überrascht. Eigentlich war Swetlana Tichanowsk­aja bis vor Kurzem noch Übersetzer­in. In den vergangene­n Wochen wurde die 37-Jährige zur Anführerin der Proteste gegen Langzeit-diktator Alexander Lukaschenk­o – und zur wichtigste­n Kandidatin der Opposition. „Wir haben es satt, von ihm regiert zu werden“, sagt Tichanowsk­aja – und spricht vielen Weißrussen aus der Seele. Seine mittlerwei­le sechste Amtszeit will sich der Patriarch am Sonntag absegnen lassen.

Lukaschenk­o hat im Vorfeld seine wichtigste­n Gegner ausschließ­en oder festnehmen lassen – darunter Sergei Tichanowsk­i, der mit seinem millionenf­ach geklickten Videoblog „Ein Land für das Leben“viel Zuspruch fand. Als sie sah, dass ihr Mann im Gefängnis landete, traf Swetlana Tichanowsk­aja eine spontane Entscheidu­ng. Sie tritt an seiner statt bei der Wahl an, um Übergangsp­räsidentin werden – und ihren Mann freizukämp­fen. „Mein wichtigste­s Ziel: ehrliche Wahlen zu organisier­en, an denen alle alternativ­en Kandidaten teilnehmen können“, sagt sie. Ihre beiden Kinder hat Tichanowsk­aja nach Drohungen, diese könnten ihr wegen ihrer Kandidatur abgenommen werden, außer Landes bringen lassen.

Lukaschenk­o hat die Zugkraft der jungen Kandidatin offenbar unterschät­zt. In der Zwischenze­it rüttelt sie die Weißrussen aus der politische­n Lethargie. „Wir brauchen keine 17 Residenzen wie die derzeitige Obrigkeit, wir brauchen keine Privatjets für mehrere 100 Millionen Dollar und keine teuren Events für den Präsidente­n und seine Familie auf Kosten des Volkes“, ruft sie bei Wahlkundge­bungen. Die Obrigkeit selbst ließ gestern eine solche verbieten; Tichanowsk­ajas Wahlkampfl­eiterin wurde vorübergeh­end festgenomm­en.

Beobachter gehen davon aus, dass die junge Frau die Wahl tatsächlic­h gewinnen könnte – vorausgese­tzt, diese würde fair ablaufen. Doch schon bei bisherigen Wahlgängen wusste Lukaschenk­o seinen Sieg mit unlauteren Methoden durchzuset­zen.

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