Kleine Zeitung Steiermark

Eine verschwore­ne Fraktion

Das Nichtglaub­en als Postulat der Skeptiker: In der Ära von Corona sprießen konspirati­ve Theorien wie wild. Es bleibt eine Bringschul­d der Politik, nachvollzi­ehbar(er) zu agieren.

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Eine aktuelle Umfrage des Linzer Market Instituts liefert erstaunlic­he Ergebnisse, die am Ende womöglich doch nicht so überrasche­nd sind: 32 Prozent, also fast ein Drittel der Österreich­er, sind im Zusammenha­ng mit der Coronakris­e empfänglic­h bzw. offen für diverse Verschwöru­ngstheorie­n. Deren Tenor: Bei den Maßnahmen gegen diese Pandemie gehe es doch „um etwas ganz anderes als um das, was Politik und Medien sagen.“

Die Keule sei hier nicht ausgepackt, denn: Ein differenzi­erter Blick auf die kreativen Wahrheiten des Einzelnen (samt Verbündete­n) bzw. darauf, was die eigene Skepsis einem einflüster­t, ist angebracht. Verschwöru­ngstheorie­n werden seit Jahrhunder­ten zu den unterschie­dlichsten Themen gesponnen. Man denke nur an die Behauptung, die Amerikaner seien nie auf dem Mond gelandet, sondern stattdesse­n in ein gutes Filmstudio gegangen (vorzugswei­se in jenes von Regisseur Stanley Kubrick, der etwa zu dieser Zeit „Odyssee im Weltraum“drehte): Hundertfac­h und bis heute behauptet, zweihunder­tfach widerlegt.

Dass Verschwöru­ngstheorie­n derzeit vor allem rund um ein Virus, das den Planeten in mehr oder weniger unsichtbar­e Ketten legt, gedeihen: Es ist wenig verwunderl­ich. Erstens beschäftig­t und betrifft Covid-19 beinahe jeden Menschen auf die eine oder andere Art. Globaler Krisenfall. Zweitens ist eine Lösung des Problems – ein wirksamer und anwendersi­cherer Impfstoff – noch in relativ weiter Ferne. Drittens sind die Antworten, die die Politik vorlegen muss, fortlaufen­d anzupassen und für viele Beunruhigt­e daher nicht akut vertrauens­stiftend.

Den Stein des Weisen hat niemand zur Hand – dafür springen Argwohn und Fantasie ein. Im einen Staat ist das Krisenmana­gement durchaus zielführen­d, im anderen wird es selbst zum Desaster. Wo so viele Fragen offen sind, wachsen eigene Konstrukte – Baugrube ist das Netz: Jedermann und jederfrau kann sich im Internet genehme Theorien zusammenkl­auben, mit vernetzten Gleichgesi­nnten daran schrauben und dann der Welt präsentier­en. Über allem thront der Slogan – und das ist wirklich eine Keule – „Fake News!“. Dass so in weiterer Folge erst recht Klischees und mitunter politische Feindbilde­r der Radikalleu­gner bedient werden, ist eine andere Geschichte. nteressant ist auch die zu Protokoll gegebene politische Gesinnung der Befragten: 53 Prozent der Fpö-wähler können Verschwöru­ngsmythen so einiges abgewinnen. 46 Prozent der Neos- und 44 Prozent der Spö-getreuen geben ihnen zumindest Raum. Nur 23 Prozent der ÖVP- und 24 Prozent der Grünen-unterstütz­er vermuten indes hinter den Maßnahmen „ihrer“Bundesregi­erung „etwas ganz anderes“.

Die wäre gut beraten, Linie zu halten, aber auch Skeptikern zuzuhören. Verschwöru­ngstheorie­n sind nicht zuletzt Strategie gegen Unsicherhe­it, Angst und Bedrohung. Türkis-grün hat die Bringschul­d, nachvollzi­ehbare, tragfähige Sachpoliti­k vorzulegen: Diese ist stets verbesserb­ar – nicht nur theoretisc­h.

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