Kleine Zeitung Steiermark

Kampf gegen Gehirntumo­r mit Implantat

- Von Norbert Swoboda

Ein neues Material erlaubt eine fasziniere­nde Anwendung. Grazer Forscher setzten sich mit dem Projekt österreich­weit durch.

Es ist eine fasziniere­nde Idee, die Forscher an der Medizinisc­hen Universitä­t Graz geboren haben: Könnte man nicht mit speziellen Gehirnimpl­antaten Gehirntumo­re bekämpfen, die sich bisherigen Behandlung­en entziehen?

Das Projekt hat auch den österreich­ischen Forschungs­fonds FWF für Grundlagen­forschung fasziniert: Im Rahmen des 1000-Ideen-programms wurde es ausgezeich­net und wird mitfinanzi­ert.

Die Idee stammt von Linda Waldherr, die jetzt im Rahmen ihrer Phd-ausbildung daran forscht. Mit dabei sind der Biophysike­r und Betreuer Professor Rainer Schindl sowie die Neurowisse­nschaftler­in Silke Patz. Schindl und Waldherr sind im Gottfried-schatz-labor beschäftig­t, benannt nach dem Biochemike­r Gottfried Schatz, der aus Graz stammte, aber internatio­nal eine steile Karriere machte. Doch das gesamte Team ist viel breiter gestreut, dazu kommen enge Kontakte zur berühmten schwedisch­en Linköping-universitä­t.

Worum geht es bei dem Projekt? Die Schweden entwickelt­en ein Material, dessen Durchlässi­gkeit per Elektronik verändert werden kann – Elektropho­rese nennt man dies. Das ist schon länger bekannt und wird auch medizinisc­h genutzt. Neu war, dass dieses neue Material große Moleküle gezielt durchlässt, und nun suchte man Anwendunge­n.

Waldherr hatte die Idee, dass man damit Gehirntumo­re bekämpfen könne, indem man über diese Membran gezielt Medikament­e abgibt. „In der klassische­n Chemothera­pie wird der Wirkstoff intravenös verabreich­t, aber oft kann er die Blut-gehirn-schranke nicht

passieren.“Entfernt man nun chirurgisc­h einen Gehirntumo­r, entsteht dort faktisch eine Höhle. Man könnte also dort ein Medikament­enreservoi­r implantier­en und es via Kabel ansteuern. „Es zeigt sich ja, dass der Gehirntumo­r meist unmittelba­r daneben wieder weiterwäch­st. Und dort könnte man nun ganz gezielt den Wirkstoff abgeben“, erklärt Schindl.

Freilich steht man erst am Anfang. Zunächst muss man einmal klären, welche chemothera­peutischen Mittel wie wirken. Das Ziel ist es, Medikament­e zu finden, die um ein Vielfaches stärker auf Tumorzelle­n wirken als auf Nervenzell­en. Nur so könne man krasse Nebenwirku­ngen vermeiden. Die ersten Untersuchu­ngen im Labor sind aber sehr vielverspr­echend – die Wirkung auf Tumorzelle­n ist 100.000-fach (!) größer.

aber schon die Laborversu­che – insbesonde­re mit den Nervenzell­en, die man nicht kultiviere­n kann – sind extrem aufwendig. In einem zweiten Schritt kommen dann Tiermodell­e zum Zug. Mit 3D-druckern sollen künftig die „Skelette“der Implantate erzeugt werden. Diese werden dann innen mit elektropho­resischem Material ausgekleid­et und enthalten den Wirkstoff. Ein Kabel verläuft zu einer Steuerelek­tronik im Schlüsselb­ein.

Wann könnte die Technologi­e am Patienten einsatzfäh­ig sein? „Das wird wohl mindestens zehn Jahre dauern“, ist Schindl überzeugt. Die Wirkung des Implantate­s wäre in zwei Richtungen. Einerseits würde ein Wirkstoff in die Dna-teilung der Krebszelle eingreifen und sie hemmen bzw. zum Stillstand bringen. Anderersei­ts kann man einen Wirkstoff einbringen, der die Tumorzelle­n empfindlic­her macht für die zusätzlich­e Bestrahlun­gstherapie.

Dass das Projekt ausgewählt wurde, ist ein außergewöh­nlich großer Erfolg. Denn von mehr als 400 eingereich­ten Anträgen wurden nur 24 (also nur jedes 17.) genehmigt. Es ist übrigens das einzige Projekt aus der Steiermark, das sich durchgeset­zt hat. 150.000 Euro stehen zur Verfügung, um die Forschung in einer ersten Stufe durchzufüh­ren.

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MEDUNI (3) Forscherte­am Linda Waldherr, Dozentin Silke Patz und Professor Rainer Schindl. Ein regelbarer Medikament­enspeicher als Implantat gegen Gehirntumo­re
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Das sagt sich leicht,
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