Kampf gegen Gehirntumor mit Implantat
Ein neues Material erlaubt eine faszinierende Anwendung. Grazer Forscher setzten sich mit dem Projekt österreichweit durch.
Es ist eine faszinierende Idee, die Forscher an der Medizinischen Universität Graz geboren haben: Könnte man nicht mit speziellen Gehirnimplantaten Gehirntumore bekämpfen, die sich bisherigen Behandlungen entziehen?
Das Projekt hat auch den österreichischen Forschungsfonds FWF für Grundlagenforschung fasziniert: Im Rahmen des 1000-Ideen-programms wurde es ausgezeichnet und wird mitfinanziert.
Die Idee stammt von Linda Waldherr, die jetzt im Rahmen ihrer Phd-ausbildung daran forscht. Mit dabei sind der Biophysiker und Betreuer Professor Rainer Schindl sowie die Neurowissenschaftlerin Silke Patz. Schindl und Waldherr sind im Gottfried-schatz-labor beschäftigt, benannt nach dem Biochemiker Gottfried Schatz, der aus Graz stammte, aber international eine steile Karriere machte. Doch das gesamte Team ist viel breiter gestreut, dazu kommen enge Kontakte zur berühmten schwedischen Linköping-universität.
Worum geht es bei dem Projekt? Die Schweden entwickelten ein Material, dessen Durchlässigkeit per Elektronik verändert werden kann – Elektrophorese nennt man dies. Das ist schon länger bekannt und wird auch medizinisch genutzt. Neu war, dass dieses neue Material große Moleküle gezielt durchlässt, und nun suchte man Anwendungen.
Waldherr hatte die Idee, dass man damit Gehirntumore bekämpfen könne, indem man über diese Membran gezielt Medikamente abgibt. „In der klassischen Chemotherapie wird der Wirkstoff intravenös verabreicht, aber oft kann er die Blut-gehirn-schranke nicht
passieren.“Entfernt man nun chirurgisch einen Gehirntumor, entsteht dort faktisch eine Höhle. Man könnte also dort ein Medikamentenreservoir implantieren und es via Kabel ansteuern. „Es zeigt sich ja, dass der Gehirntumor meist unmittelbar daneben wieder weiterwächst. Und dort könnte man nun ganz gezielt den Wirkstoff abgeben“, erklärt Schindl.
Freilich steht man erst am Anfang. Zunächst muss man einmal klären, welche chemotherapeutischen Mittel wie wirken. Das Ziel ist es, Medikamente zu finden, die um ein Vielfaches stärker auf Tumorzellen wirken als auf Nervenzellen. Nur so könne man krasse Nebenwirkungen vermeiden. Die ersten Untersuchungen im Labor sind aber sehr vielversprechend – die Wirkung auf Tumorzellen ist 100.000-fach (!) größer.
aber schon die Laborversuche – insbesondere mit den Nervenzellen, die man nicht kultivieren kann – sind extrem aufwendig. In einem zweiten Schritt kommen dann Tiermodelle zum Zug. Mit 3D-druckern sollen künftig die „Skelette“der Implantate erzeugt werden. Diese werden dann innen mit elektrophoresischem Material ausgekleidet und enthalten den Wirkstoff. Ein Kabel verläuft zu einer Steuerelektronik im Schlüsselbein.
Wann könnte die Technologie am Patienten einsatzfähig sein? „Das wird wohl mindestens zehn Jahre dauern“, ist Schindl überzeugt. Die Wirkung des Implantates wäre in zwei Richtungen. Einerseits würde ein Wirkstoff in die Dna-teilung der Krebszelle eingreifen und sie hemmen bzw. zum Stillstand bringen. Andererseits kann man einen Wirkstoff einbringen, der die Tumorzellen empfindlicher macht für die zusätzliche Bestrahlungstherapie.
Dass das Projekt ausgewählt wurde, ist ein außergewöhnlich großer Erfolg. Denn von mehr als 400 eingereichten Anträgen wurden nur 24 (also nur jedes 17.) genehmigt. Es ist übrigens das einzige Projekt aus der Steiermark, das sich durchgesetzt hat. 150.000 Euro stehen zur Verfügung, um die Forschung in einer ersten Stufe durchzuführen.