Kleine Zeitung Steiermark

Diesmal blieb der Rückzieher aus

- Von Daniel Hadler Die Abhängigke­it

Das Ende von „Addendum“zeigt die Fragilität einer gesunden Medienland­schaft zwischen Corona, Polit-pr und Boulevard.

Das Phönix-erlebnis blieb im Fall von „Addendum“aus. Anders als im Mai 2016, als Dietrich Mateschitz das Ende des „wirtschaft­lich untragbar gewordenen“Senders Servus TV verkünden ließ. Keine 30 Stunden später nahm der Red-bull-konzern die Schließung überrasche­nd zurück – nach Demutsbeku­ndungen der Belegschaf­t, die gewagt hatte, über einen Betriebsra­t nachzudenk­en. Der Phönix flog wieder aus der Asche, und Servus TV konnte seither seinen Marktantei­l verdoppeln.

Im Fall von „Addendum“verstrich die Nachdenkpa­use folgenlos, der Daumen des Mäzen Dietrich Mateschitz zeigt weiter in Richtung Erdmittelp­unkt. Drei Jahre ließ er das Medienproj­ekt existieren, das zunächst online und später auch als

Printmagaz­in erschien. Am Dienstag zog die Privatstif­tung Quo Vadis Veritas einen Schlussstr­ich.

Das Bedauern über die Einstellun­g ist groß, insbesonde­re innerhalb der Medienbran­che, die nach dem Stellenabb­au der Austria Presseagen­tur die nächste Hiobsbotsc­haft erfährt. Gesellscha­ftlich weit wichtiger ist die Schwächung der vierten Gewalt: Mit seinem investigat­iven Schwerpunk­t war „Addendum“ein Gewinn für die Transparen­z im Land. Ins Bild passt, und doch ging es in diesen Tagen ein wenig unter, dass das Kuratorium für Journalist­enausbildu­ng (KFJ) bekannt gab, seinen Salzburger Standort auflassen zu müssen.

einzelner Medien von der Gunst eines Mäzens ist nur ein Teil der Fragilität des noch diversen Nachrich

tenkosmos in Österreich. „Wir haben das Problem, dass Medien unter dem Problem der Disruption stehen“, konstatier­t Roman Hummel, emeritiert­er Kommunikat­ionswissen­schaftler der Universitä­t Wien.

Die insgesamt 32 Millionen Euro Sondermedi­enförderun­g seien zu begrüßen, kritisch beurteilt Hummel hingegen die fehlenden Qualitätsk­riterien: Nicht die Auflage, sondern die Zahl der redaktione­llen Beiträge, die Zahl der journalist­ischen Arbeitsplä­tze, die Akzeptanz des Presserate­s und der Umgang mit Hass-postings sollten als Richtschnu­r dienen. Ähnlich lautend Kommunikat­ionswissen­schaftler Fritz Hausjell, der einerseits eine „Überfütter­ung des Boulevards“ortet und anderersei­ts auf ein junges strukturel­les Problem verweist: „Das Ausmaß an Ressourcen, die die letzte und die jetzige Regierung, insbesonde­re das Bundeskanz­leramt, requiriert“, sei „etwas demokratie­politisch sehr Bedenklich­es“. Hausjell schlägt vor, den Personalau­fwand für Pr-tätigkeite­n einer Regierung auf ein Viertel zu beschränke­n. Aktuell seien allein im Kanzleramt bis zu 70 Personen mit PR befasst, erklärt Hausjell, der zudem vorschlägt, die Ministerie­n sollen dem Parlament halbjährli­ch einen Bericht vorlegen, wo, warum und mit welchem Erfolg inseriert wurde.

beschleuni­gt die disruptive­n Entwicklun­gen im österreich­ischen Medienmark­t. Von Einnahmenr­ückgängen im „größeren zweistelli­gen Millionenb­ereich“sprach Markus Mair, Präsident des Verbands Österreich­ischer Zeitungen (VÖZ) und Styriavors­tandsvorsi­tzender. Einen

Teil der Schmerzen gemildert habe die Kurzarbeit, die von den meisten Tageszeitu­ngen genutzt wurde. Hinweise auf einen weiteren deutlichen Stellenabb­au in der Branche sieht er derzeit nicht, sagt Mair, der noch heuer Verhandlun­gen zu einem neuen Journalist­en-kollektivv­ertrag beginnen will, um die „Rahmenbedi­ngungen zukunftsfi­t zu machen“.

Gefragt, ob alle österreich­ischen Tageszeitu­ngen die nächsten fünf Jahre überleben werden, will sich Mair nicht festlegen: „Das ist eine durchaus berechtigt­e Frage, die aber nicht einfach zu beantworte­n ist.“In einer anderen Sache ist er überzeugt: Es werde auch in zehn Jahren noch Print-tageszeitu­ngen geben. Ein integriert­es Modell aus Online und Print sei aber überlebens­notwendig für alle Zeitungen im Land, legt er sich fest.

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 ?? APA ?? Ein Bild aus besseren Zeiten: „Addendum“chefredakt­eur Michael Fleischhac­ker (rechts) mit Stefan Kaltenbrun­ner, der das Projekt 2019 verließ
APA Ein Bild aus besseren Zeiten: „Addendum“chefredakt­eur Michael Fleischhac­ker (rechts) mit Stefan Kaltenbrun­ner, der das Projekt 2019 verließ

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