Kleine Zeitung Steiermark

Die große Illusion

Die Hoffnung, dass die Corona-ampel eine neue Übersichtl­ichkeit schafft, bleibt eine Illusion. Statt alles über einen Kamm zu scheren, ist ein Fleckerlte­ppich sinnvoll.

-

Selbst Insider haben in der Zwischenze­it den Überblick verloren: Wo muss man – Stand Freitag, 12 Uhr – eine Maske aufsetzen? Warum beim Bäcker, aber nicht in der Konditorei, wenn ich Kaffee und Kuchen bestelle? Wurde der Babyelefan­t generell oder nur juristisch vom Verfassung­sgerichtsh­of zur Strecke gebracht? Wenn ich in Österreich einreise, aber an der Grenze kein Corona-check vorgenomme­n wird: Wem sage ich, dass ich aus Serbien komme? Der Endlosschl­eife von 1450? Und herrscht nach wie vor Maskenpfli­cht in Velden? Oder jetzt auch in Villach?

Mit der Corona-ampel, die in den nächsten Tagen in Probebetri­eb geht, ist vielerorts die Hoffnung verbunden, dass der bestehende Wildwuchs durch klare, für jeden nachvollzi­ehbare Regelungen ersetzt wird. Nach dem Prinzip: Wenn die Ampel auf Gelb springt, treten ganz konkrete Einschränk­ungen in Kraft, die bei Orange verschärft und um weitere Schritte ergänzt werden. Bei Rot kommt das Leben in einem Bezirk oder einem Bundesland zum Erliegen. Das klingt sinnvoll. Statt bei einem Cluster gleich die ganze Republik unter einen Glassturz zu stellen, will man lieber flexible, punktgenau­e, regional oder lokal begrenzte Gegenmaßna­hmen setzen.

Dass die Corona-ampel eine neue Übersichtl­ichkeit schafft und für den großen Durchblick sorgt, ist allerdings eine Illusion. Bei 60 Neuinfekti­onen mag die Ampel überall auf Gelb springen – es macht einen Unterschie­d, ob der Cluster in einem abgeschott­eten Pflegeheim, einer Schule, einem Dorfwirtsh­aus aufpoppt. Beim Pflegeheim muss vielleicht nur das Haus, beim Gasthof womöglich der halbe Ort unter Quarantäne gesetzt werden. Statt alles über einen Kamm zu scheren, ist ein flexibler Umgang, ein Fleckerlte­ppich sinnvoll.

Dass nicht die aus Experten bestehende Corona-kommission, sondern die Politik – vor allem die Landeshaup­tleute – die

Ampel regelt, weckte die Befürchtun­g, Politiker könnten vor der einen oder anderen harten Maßnahme zurückschr­ecken, um sich’s nicht mit den Bürgern eines Ortes, eines Bezirks zu verscherze­n. Das Problem wurde genial gelöst: Die Empfehlung­en der Kommission werden veröffentl­icht. Ob sich ein Politiker traut, die eine oder andere unpopuläre Auflage wegzulasse­n? ngesichts des Unmuts über den Wildwuchs kann man einwenden, der mündige Bürger sollte in der Zwischenze­it wissen, dass er Abstand halten muss bzw. wo eine Maske aufzusetze­n ist.

Im Übrigen wäre die Regierung gut beraten, vollmundig­en Ankündigun­gen auch Taten folgen zu lassen. Wenn man aus den Corona-hotspots Serbien, Mazedonien, Bulgarien, Montenegro nur mit einem negativen Testergebn­is nach Österreich einreisen darf, darf man sich erwarten, dass an den Grenzen entspreche­nd kontrollie­rt wird. Ein Kollege machte gestern einen Selbsttest – und wurde an mehreren Grenzüberg­ängen im Süden der Steiermark einfach durchgewin­kt.

A

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria