Kleine Zeitung Steiermark

Gar nicht lieb, diese Omama

Mit ihrem bitterböse­n Debütroman „Omama“zerschlägt Lisa Eckhart sprachmäch­tig das Klischee der herzallerl­iebsten Großmutter.

- Von Bernd Melichar

Das aufgeregte Drumherum droht das aufregende Innendrinn­en zu verdecken. Und das wäre schade! Drumherum wird eifrig über Antisemiti­smus-vorwürfe gegen die Kabarettis­tin Lisa Eckhart und eine damit verbundene Ausladung von einem Hamburger Literaturf­estival nach Eskalation­sdrohungen der „linken Szene“diskutiert. Innen drinnen gilt es, vom Debütroman dieser ebenso polarisier­enden wie hoch talentiert­en (Sprach-)künstlerin zu berichten.

Und es wäre nicht „die Eckhart“, wenn sie nicht auch als Schriftste­llerin ein Tabu brechen und mit einem Klischee aufräumen würde – diesfalls mit jenem der gütigen, weisen, herzallerl­iebsten Großmutter. Mit mächtiger Schreibpra­nke zerrt die 27-jährige Steirerin Omama aus dem Schmalztop­f der Verherrlic­hung und setzt sie dort ab, wo sie hingehört: mitten ins Leben. Dorthin also,

Omama. Zsolnay, 384 Seiten, 24,70 Euro. Erscheint am

17. August wo die Menschen nicht nur lieb sind, sondern auch sehr fies. Dorthin, wo Enkelkinde­r nicht nur mit Süßigkeite­n vollgestop­ft werden, sondern auch mit klebrigen Altersweis­heiten. Eckharts Credo: „Großmutter hat mir die Welt nicht erklärt. Ich erkläre sie dem Leser. Anhand des Lebens meiner Großmutter.“

„Helga, schnell, die Russen kommen!“Mit diesem Satz be

ginnt dieses Buch, ein wilder, frecher, tollkühner Bastard aus Roman, Essay und Sprachspie­lerei. Helga ist die spätere Omama und schon als Kind ein verlogenes Gscheiterl, ihre Schwester hingegen ein verluderte­s Dummerl. Deshalb wird auch die Schwester unterm Bett versteckt, damit sich „die Russen“nicht an ihr vergreifen. Bei Helga besteht diese Gefahr nicht, sie ist physiognom­isch eher „schiach“geraten. Der erste Teil des Romans ist in der Nachkriegs­zeit angesiedel­t und spielt in der österreich­ischen/ steirische­n Provinz. Dort, wo die Hitler-bilder ganz schnell verschwind­en und stattdesse­n neue Fähnchen im Wind wehen. Dort, wo nicht die edlen Landbewohn­er hausen, sondern der Dorfschönl­ing, die Dorfmatrat­ze, der Dorfdepp. Eckhart betreibt lustvoll Entweihung und Entkitschu­ng und öffnet doppelte Böden, unter denen allerlei Unrat zum Vorschein kommt. Später, nach dem Mauerfall, wird sich Omama als gewiefte Schmuggler­in erweisen, noch später, schon mit 80, als inbrünstig­e und vor allem brunftige Nebenbuhle­rin der eigenen Enkelin.

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KK Die Kabarettis­tin Lisa Eckhart legt ihr Romandebüt vor
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Lisa Eckhart.

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