Lukaschenko ließ die Armee auffahren
Wahl in Weißrussland: Laut Prognosen bekam Lukaschenko 80 Prozent der Stimmen.
Gekämpft wurde um jede Stimme. Ein Wähler, der ein weißes Armband trug, das Erkennungszeichen der Opposition, bekam einen Wahlzettel, auf dem ein Kästchen mit einem Nadelstich markiert war. „Wenn jemand auf so einem Blatt sein Kreuz macht“, warnt der Wahlbeobachter Sergei R. per Messenger, „erklären sie seine Stimme für ungültig.“
Die gestrigen Präsidentschaftswahlen in Weißrussland arteten in ein ungleiches Ringen zwischen Staatsmacht und Opposition aus. Drei der vier Kandidaten, die gegen Staatschef Alexander Lukaschenko antraten, gelten als Statisten. Aber Swetlana Tichanowskaja, die anstelle ihres verhafteten Mannes Sergei kandidierte, mobilisierte bei ihren Wahlkampfauftritten wiederholt Zehntausende Weißrussen. Auch vor den Wahllokalen bildeten sich gestern Hunderte Meter lange Schlangen. Die Online-plattform „Stimme“rief die Wähler auf, ihr Fotos der ausgefüllten Stimmzettel zu senden, um eine parallele Auszählung zu organisieren. Eine ihrer Webseiten wurde gehackt.
Unabhängige Wahlbeobachter wurden meist auf die Straße gesetzt, und nach Angaben des Tv-kanals Belsat standen die Leute noch am späten Nachmittag Schlange vor Minsker Wahllokalen, in denen angeblich bereits fast 100 Prozent abgestimmt hatten.
Das Oppositionsportal „Chartija 97“appellierte an die Weißrussen, sich vor den Wahllokalen zu versammeln, um die Auszählung zu kontrollieren. Das vorläufige Wahlergebnis wird heute Nachmittag erwartet, spätestens danach könnte es sowohl massenhaft Proteste als auch Verhaftungen geben. Schon gestern Mittag meldete die Opposition die Festnahme von acht Tichanowskaja-mitarbeitern und 28 Wahlbeobachtern. Veronika Zepkalo, eine der Mitstreiterinnen Tichanowskajas, flüchtete gestern nach Moskau. Im Minsker Zentrum standen am Wahltag Busse voller Polizisten und an den Zufahrtsstraßen nach Minsk parkten demonstrativ Militärfahrzeuge der weißrussischen Armee.
Am späten Sonntagabend dann die Eiltmeldung: Amtsinhaber Lukaschenko gewann laut offiziellen Prognosen die Präsidentschaftswahl klar. 80 Prozent der Weißrussen sollen für ihn gestimmt haben, 7 Prozent für Tichanowskaja.