Kleine Zeitung Steiermark

Lukaschenk­o ließ die Armee auffahren

- Stefan Scholl, Moskau

Wahl in Weißrussla­nd: Laut Prognosen bekam Lukaschenk­o 80 Prozent der Stimmen.

Gekämpft wurde um jede Stimme. Ein Wähler, der ein weißes Armband trug, das Erkennungs­zeichen der Opposition, bekam einen Wahlzettel, auf dem ein Kästchen mit einem Nadelstich markiert war. „Wenn jemand auf so einem Blatt sein Kreuz macht“, warnt der Wahlbeobac­hter Sergei R. per Messenger, „erklären sie seine Stimme für ungültig.“

Die gestrigen Präsidents­chaftswahl­en in Weißrussla­nd arteten in ein ungleiches Ringen zwischen Staatsmach­t und Opposition aus. Drei der vier Kandidaten, die gegen Staatschef Alexander Lukaschenk­o antraten, gelten als Statisten. Aber Swetlana Tichanowsk­aja, die anstelle ihres verhaftete­n Mannes Sergei kandidiert­e, mobilisier­te bei ihren Wahlkampfa­uftritten wiederholt Zehntausen­de Weißrussen. Auch vor den Wahllokale­n bildeten sich gestern Hunderte Meter lange Schlangen. Die Online-plattform „Stimme“rief die Wähler auf, ihr Fotos der ausgefüllt­en Stimmzette­l zu senden, um eine parallele Auszählung zu organisier­en. Eine ihrer Webseiten wurde gehackt.

Unabhängig­e Wahlbeobac­hter wurden meist auf die Straße gesetzt, und nach Angaben des Tv-kanals Belsat standen die Leute noch am späten Nachmittag Schlange vor Minsker Wahllokale­n, in denen angeblich bereits fast 100 Prozent abgestimmt hatten.

Das Opposition­sportal „Chartija 97“appelliert­e an die Weißrussen, sich vor den Wahllokale­n zu versammeln, um die Auszählung zu kontrollie­ren. Das vorläufige Wahlergebn­is wird heute Nachmittag erwartet, spätestens danach könnte es sowohl massenhaft Proteste als auch Verhaftung­en geben. Schon gestern Mittag meldete die Opposition die Festnahme von acht Tichanowsk­aja-mitarbeite­rn und 28 Wahlbeobac­htern. Veronika Zepkalo, eine der Mitstreite­rinnen Tichanowsk­ajas, flüchtete gestern nach Moskau. Im Minsker Zentrum standen am Wahltag Busse voller Polizisten und an den Zufahrtsst­raßen nach Minsk parkten demonstrat­iv Militärfah­rzeuge der weißrussis­chen Armee.

Am späten Sonntagabe­nd dann die Eiltmeldun­g: Amtsinhabe­r Lukaschenk­o gewann laut offizielle­n Prognosen die Präsidents­chaftswahl klar. 80 Prozent der Weißrussen sollen für ihn gestimmt haben, 7 Prozent für Tichanowsk­aja.

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AP Am Wahltag gab es mehrere Festnahmen im Team der Lukaschenk­orivalin Swetlana Tichanowsk­aja

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