Kleine Zeitung Steiermark

Jetzt gibt es schneller Pflegegeld

- Wilhelm Margula

Warum es sich lohnt, jetzt den eigenen Anspruch auf (höheres) Pflegegeld noch einmal zu überprüfen, und

welche Fehler Sie dabei vermeiden sollten.

Seit 1993 gibt es in Österreich das Pflegegeld­gesetz, seither wurde der Zugang zum Pflegegeld zweimal verschärft. Im vergangene­n Juli wurde erstmals ein Schritt in die Gegenricht­ung gemacht: Die Hilfe für Duschen und Baden wird jetzt um sechs Stunden höher bewertet als bisher. Anders gesagt: Bis zum Juli 2020 ging der Gesetzgebe­r davon aus, dass vier Stunden Körperpfle­ge pro Monat dem hygienisch­en Standard entspreche­n bzw. zweimal pro Woche zu duschen oder zu baden genug ist.

Das sorgte seit 1993 freilich regelmäßig für Unmut, wurde aber jetzt erst geändert. „Davon profitiere­n nun alle, denen für die Bewilligun­g von Pflegegeld generell oder für die Erhöhung auf Stufe 2 oder 3 gerade noch

paar Stunden Betreuungs­bedarf gefehlt haben“, sagt der Wiener Arzt und Gerichtssa­chverständ­ige für Geriatrie, Palliativm­edizin und Pflegewese­n, Wilhelm Margula.

Um zu verstehen, was sechs Stunden mehr bedeuten, muss man wissen, dass der Sprung von einer Pflegestuf­e auf die nächste in Fünfer- bzw. Zehner

Beim Pflegegeld wird jetzt berücksich­tigt, dass ein tägliches Dusch- oder Wannenbad im Ausmaß von 20 Minuten als hygienisch­e Standardve­rsorgung anzusehen ist. schritten erfolgt. Mehr als 65 Stunden Betreuungs­bedarf braucht es für Stufe 1, mehr als 95 Stunden für Stufe 2 und mehr als 120 Stunden für Stufe 3. „Jenen, denen bisher nur eine oder maximal sechs Stunden gefehlt haben, um die gewünschte Pflegegeld­stufe zu erreichen, kann man guten Gewissens empfehlen, jetzt noch einmal einen Antrag zu stellen“, sagt Margula. Dabei ist aber eine Frist einzuhalte­n: „Zwischen dem Datum des letzten Bescheids und dem neuen Antrag müssen in Summe zumindest 15 Monate liegen, wenn es in der Zwischenze­it keine wesentlich­e Verschlech­terung des Gesundheit­szustandes gegeben hat.“

Generell gebe es, wie Margula betont, in Österreich einen großen Informatio­nsbedarf in Saein chen Pflegegeld. Die wenigsten wüssten zum Beispiel, dass den Antrag gar nicht der Pflegebedü­rftige stellen muss, das könnten ebenso Verwandte, gesetzlich­e Vertreter und Haushaltsa­ngehörige machen – auch online. Auch sei für die Beantragun­g von Pflegegeld grundsätzl­ich kein ärztliches Attest nötig. „Es muss nur belegt werden, dass jemand voraussich­tlich für mindestens sechs Monate Hilfe im Ausmaß von mehr als 65 Stunden pro Monat braucht“, erklärt der Experte. Um ein Verfahren anzustoßen, wie es in der Fachsprach­e heißt, reiche dabei schon die Vorlage einer Medikament­enliste oder der Nachweis von Spitalsauf­enthalten.

Daraufhin kommt in der Regel ein Gutachter zum Pflegegeld­werber nach Hause, um sich ein Bild von der Situation

zu machen, und gibt in seinem Gutachten eine Empfehlung an die Pensionsve­rsicherung­sanstalt beziehungs­weise an den zuständige­n Leistungst­räger. „Viele meinen, die Pflegegeld­stufe lege ein Arzt fest, das machen aber die Juristen, etwa von PVA – oder bei Klagen die Richter – nach dem komplexen Regelwerk des Pflegegeld­gesetzes. Beim zuständige­n Entscheidu­ngsträger überprüft auch noch ein Mediziner, ob Diagnosen und Funktionss­törungen übereinsti­mmen. Danach kommt der Akt in die Leistungsa­bteilung und es ergeht ein Bescheid“, klärt Margula auf. Das zuerkannte Pflegegeld ist vermögensu­nd einkommens­unabhängig und wird entweder befristet (sofern eine Besserung des Zustandes zu erwarten ist) oder unbefriste­t gewährt.

– ohne konkrete Berechnung, ob die Anforderun­gen tatsächlic­h erfüllt sein könnten – rät Margula allerdings ab. Aus seiner eigenen Gutachterz­eit wisse er noch, mit wie viel Vorbehalt man zu jemandem geht, der schon zum x-ten Mal einen Antrag stellt. „Ohne einschlägi­gen Rechner sind Pflegegeld-berechnung­en für Laien aber vollkommen unmöglich“, sagt der Experte, der seit fünf Jahren online und gratis einen entspreche­nden Rechner anbietet (siehe Infobox rechts.)

auf Pflegegeld macht, sollte folgenden Denkfehler vermeiden: „Pflegegeld dient nicht zur Aufbesseru­ng der Pension. Es genügt nicht, sehr krank zu sein, wenig Einkommen zu haben und keine

Rezeptgebü­hren bezahlen zu müssen“, stellt der Fachmann klar. Und Pflegegeld sei auch keine Abgeltung für Schmerzen. „Der Staat zielt mit dem Pflegegeld darauf ab, den Mehraufwan­d für die Pflege pauschal abzugelten. Mit der Einstufung­sverordnun­g zum Pflegegeld kommen realistisc­he Hilfsund Betreuungs­zeiten zum Ausdruck, man will und kann dabei aber nicht die tatsächlic­h anfallende­n Kosten ersetzen.“

Im Irrtum seien auch jene, die beispielsw­eise ihre betreuungs­bedürftige Oma zum Einkaufen fahren und wissen, dass das in Summe eine Aktion für drei Stunden ist. Margula: „Die Einstufung­sverordnun­g sieht fürs Einkaufen nicht mehr als zehn Stunden pro Monat vor, weil man davon ausgeht, dass das eine gesunde Person erledigt.

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ADOBE STOCK Wer einen Antrag auf Pflegegeld stellt, muss langfristi­g einen Betreuungs­bedarf von mehr als 65 Stunden pro Monat haben
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W. Margula, Gerichtssa­chverständ­iger

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