Tiefe Wunden brechen wieder auf
Prozess in Christchurch: Überlebende und Angehörige über den Terrorakt.
Am „dunkelsten Tag“Neuseelands tötete ein rechtsradikaler Australier (29) in zwei Moscheen in Christchurch 51 Menschen beim Gebet. Gestern begann die viertägige Gerichtsverhandlung – unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen und mit vielen Emotionen. Das Urteil soll am Donnerstag fallen. Dass der Attentäter von Christchurch zu „lebenslänglich“verurteilt wird, daran zweifelt kaum jemand in Neuseeland. Doch er könnte der Erste sein, der „lebenslänglich ohne Bewährung“erhält.
Ein Strafmaß, das es in Neuseeland zuvor noch nie gegeben hat.
In den vier Ver- handlungstagen geht es nun zunächst darum, aufzuarbeiten, was am 15. März 2019 geschah. Neben dem Tathergang werden 66 sogenannte „Victim Impact Statements“verlesen. In ihnen schildern Überlebende und Angehörige, wie der Terrorakt ihr Leben verändert hat. Er habe „gemischte Gefühle“, sagte einer der Überlebenden, als er am Obersten Gerichtshof eintraf.
Dem Schützen vor Gericht erneut ins Gesicht schauen zu müssen, würde wohl alles wieder „auffrischen“. Trotzdem sind Familienangehörige und Überlebende aus der ganzen Welt angereist, um die Gerichtsverhandlung mitzuerleben. Da Neuseelands Grenzen wegen der Pandemie noch geschlossen sind, haben sie eine Ausnahmegenehmigung erhalten und mussten in Quarantäne gehen.
Die Sicherheitsvorkehrungen sind extrem hoch. Das Gericht im eher schläfrigen Christchurch ist weiträumig von der Polizei abgeriegelt, auf den Dächer haben sich Scharfschützen positioniert. Aufgrund der Covid-19bestimmungen dürfen nur 35 Menschen in den eigentlichen Gerichtssaal. Über 300 Menschen aus 15 Ländern verfolgen einen Livestream der Anhörung, die in acht Sprachen übersetzt wird. Sie hören mit, wie sich der Angeklagte schuldig bekennt. Und zugibt, dass er weitere Anschläge geplant hatte.