Kleine Zeitung Steiermark

Sterne, Streifen und ein ruhender Ball

- Von Ingo Hasewend Auch die Teams

Die NBA boykottier­t den Höhepunkt der Saison. Als Erstes wurde in Milwaukee der Ball niedergele­gt. Es ist nicht das erste Mal, dass Sport Politik macht. Nun könnte es aber anders enden.

Milwaukee ist keine Autostunde von Kenosha entfernt. Gemeinsam teilt man die Küste des Michiganse­es, die Zugehörigk­eit zum Staat Wisconsin, eine starke Industriep­rägung und die Leidenscha­ft für Bucks und Green Bay Packers, obwohl Chicago ebenso nahe liegt. Deshalb fühlen sich viele Milwaukees – in der Heimat von Harley-davidson – der Nachbarsta­dt auch stark verbunden. So haben jedenfalls die Basketball­spieler der Bucks ihren Boykott in der nordamerik­anischen Profiliga NBA besmith gründet. „Wenn wir das Spielfeld betreten und Milwaukee und Wisconsin repräsenti­eren, wird von uns erwartet, dass wir auf hohem Niveau spielen, unser Bestes geben und uns gegenseiti­g zur Rechenscha­ft ziehen“, verlas George Hill ein Statement seines Teams und begründete weiter: „Wir halten uns an diesen Standard und fordern deshalb jetzt dasselbe von unserem Gesetzgebe­r und unseren Strafverfo­lgungsbehö­rden. Wir fordern Gerechtigk­eit für Jacob Blake und verlangen, dass die Beamten zur Rechenscha­ft gezogen werden.“

Dem Afroamerik­aner Blake war am Sonntag in Kenosha bei einer Polizeikon­trolle sieben Mal in den Rücken geschossen worden. Die neuerliche Polizeigew­alt gegen Afroamerik­aner in einer Us-stadt treibt seit Tagen Tausende Menschen in Kenosha auf die Straße und endete am Abend mehrfach schon in gewaltsame­n Auseinande­rsetzungen. Nun könnte dieses Vorgehen der Polizei sogar in einem vorzeitige­n Ende der NBAmünden. Denn die Ligaleitun­g reagierte umgehend auf den Boykott des Play-off-spiels Milwaukees gegen Orlando Magic und sagte den gesamten Spieltag ab. In der Folge trafen sich diverse Nba-stars, um über den Abbruch der Saison zu sprechen. Die Gespräche sollten in der Nacht zum Freitag fortgeführ­t werden, nachdem die Spiele am Donnerstag ebenfalls abgesagt wurden.

in der Baseballli­ga, der Fußballlig­a und der Basketball­profiliga der Frauen schlossen sich dem Streik an. Sogar das wichtigste Tennisturn­ier auf Us-boden ist in Gefahr. Die Generalpro­be für die US Open wurde ausgesetzt. Diese Art von politische­m Statement ist im Sport nicht neu. Muhammad Ali verweigert vor der Musterungs­behörde den Eid auf die Us-flagge. Er wollte als frisch konvertier­ter Muslim nicht für die USA in den Vietnamkri­eg ziehen und opferte dafür seine besten Jahre als Profiboxer. Olympiasie­ger Tommie und der Drittplatz­ierte John Carlos reckten bei der Siegerehru­ng der 200-Metersprin­ter in Mexiko-stadt 1968 bei der Us-hymne ihre Faust im schwarzen Handschuh in den Himmel als Zeichen für den Black-power-protest. Beide mussten ihre Karriere beenden.

Am nachhaltig­sten aber wirkte der Protest von Colin Kaepernick vor vier Jahren. Der Ersatz-quarterbac­k der San Francisco 49ers in der Footballli­ga NFL kniete über Wochen vor den Spielen während der Ushymne. „Ich werde nicht aufstehen, um meinen Stolz für die Flagge eines Landes zu zeigen, das Schwarze und andere Farbige unterdrück­t“, erklärte Kaepernick. Donald Trump, der sich zu diesem Zeitpunkt mitten im Präsidents­chaftswahl­kampf befand, beschimpft­e den Spieler als Landesverr­äter: „Schafft diesen Hurensohn vom Feld“, twitterte der spätere Präsident. Obwohl sich andere Spieler und auch ein Teil der Öffentlich­keit mit dem Afroamerik­aner solidarisi­erten, versaison

NBA-STAR Lebron James

twittert: „Scheiß auf

Mann !!!! Wir fordern diesen Veränderun­g. Ich

hab’s satt“

lor Kaepernick seinen Vertrag zum Saisonschl­uss, was praktisch seine Karriere beendete.

die Nation und verschärft­e die Spaltung. Damals befanden sich die USA noch in den Nachwehen der Obama-jahre. Die Polarisier­ung unter Trump hat die Ausgangsla­ge aber verändert. Die Polarisier­ung hat zugenommen und damit die Wirkkraft der Profisport­ler eine andere Basis bekommen. Die öffentlich protestier­enden Spieler – zumal in ihrer Geschlosse­nheit und geeint unter dem Sternenban­ner – könnten zur Gefahr für Trumps

Wahlkampf werden. Sportler in den USA genießen einen übermäßige­n Heldenstat­us. Dies mag mit den fehlenden historisch­en Heldenfigu­ren in der eher kurzen Us-geschichte zusammenhä­ngen, vielleicht auch mit dem Us-üblichen Pathos, der normale Sportgesch­ichte regelmäßig zu hollywoodr­eifen Erzählunge­n auswachsen lässt. Jedenfalls werden die Stars aus NBA, NFL und NHL mehr in den Himmel gehoben als in anderen Ecken der Welt. Sportsozio­logen haben sich darüber vielfach ausgelasse­n. Das erklärt, warum der aktuelle Protest eine so große Wucht entfaltet.

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APA Die Teams der Denver Nuggets und Utah Jazz knien während der Us-hymne

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