Kleine Zeitung Steiermark

„Wir brauchen einegemein­same Idee für die Menschheit“

- Von Ulrich Krökel, Warschau Beziehen Sie das auch auf Polen? In Warschau regiert seit fünf Jahren die rechtsnati­onale PIS.

Wie geht es Ihnen in Zeiten der Corona-pandemie?

LECH WAŁE˛ SA: Persönlich komme ich klar. Aber das Virus ist ein deutlicher Warnschuss für uns alle: Beim nächsten Mal wird es schlimmer. Deshalb müssen wir uns den globalen Problemen endlich im globalen Maßstab stellen. Ich meine Krankheite­n, Hunger, Wassermang­el, Umweltzers­törung, Klimakatas­trophe. Wenn wir so weitermach­en, geht die Menschheit unter.

Ist das für Sie nicht eine enttäusche­nde Bilanz, vierzig Jahre nach Gründung der Solidarnos´ c´ , die ja eine Freiheitsb­ewegung war und eine bessere Welt wollte?

Es war eine Revolution. Wir ha

die alte Ordnung überwunden. Es gibt aber noch keine zukunftswe­isende neue Ordnung. Wir brauchen eine gemeinsame Idee für die Menschheit. Welches Wirtschaft­ssystem wollen wir? Sicher nicht den Kommunismu­s, denn der ist vor aller Augen gescheiter­t. Aber der Kapitalism­us ist auch nicht die Lösung. Das ist ein Rattenrenn­en. Wer ist der Erste, wer holt am meisten heraus? Wir müssen diskutiere­n, wie sich der freie Markt effektiv zähmen lässt, zum Wohle der Menschen. Leider werden diese Diskussion­en heute oft von Populisten beherrscht, die sagen: Wir machen alles besser. Sie haben aber keine Lösungen für die realen Probleme. Stattdesse­n dämonisier­en sie alles.

Wir haben überall schwache Politiker, die sich viel zu oft der Vergangenh­eit zuwenden und mit alten Ideen für neue Zeiten kommen. Sie sind überforder­t von den nationalen und den globalen Herausford­erungen.

Die Eu-kommission hat ein Rechtsstaa­tsverfahre­n gegen Polen eingeleite­t, weil die Regierung die Unabhängig­keit der Justiz aushöhlt. Sie tragen ein T-shirt mit der Aufschrift „Konstytucj­a“, also Verfassung. Warum?

Bei der Gründung der Solidarno´sc´ ging es 1980 im Kern um die Idee, die Herrschaft einer Partei durch die Herrschaft des Rechts zu ersetzen. Der Rechtsben staat ist die Grundlage für alles Weitere. In Polen und Europa gilt: Ohne die Herrschaft des Rechts werden wir unsere Zukunft zerstören.

Er war Gründer der Solidarno´s´c, Friedensno­belpreistr­äger und erster Präsident Polens nach der Wende: Lech Wał˛esa (76).

Er ist bis heute ein Revolution­är geblieben.

Ist Polen wieder auf dem Weg in eine Diktatur?

Nein. Mit dem Eu-beitritt vor 16 Jahren haben wir eine andere Wahl getroffen. Damals gab es das Angebot aus dem Westen: Kommt zu uns. Wir übernehmen gemeinsam die Verantwort­ung für Europa. Wir helfen euch, etwas Neues aufzubauen. Dafür müsst ihr demokratis­che Regeln einhalten. Und dazu bekennt sich die überwältig­ende Mehrheit meiner Landsleute bis heute.

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