Kleine Zeitung Steiermark

Fatale Angst vor dem Gast

Der schräge Disput um Gästeliste­n in Österreich macht unser Land nicht sicherer, sondern illustrier­t nur die kollektive Scheu davor, der Corona-wahrheit ins Auge zu schauen.

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Die Ausweitung des Testprogra­mms von der Hotellerie auf alle Gastrobetr­iebe ist gut. Aber sie kommt spät, und die Ausweitung auf alle nicht-gewerblich­en Gästebetre­uer, die mit Fremden längere Zeit in geschlosse­nen Räumen zu tun haben, kommt nicht gleich, sondern wird nur in Aussicht genommen. Offenbar aus Sorge darum, dass sich jemand einen Gratis-test erschleich­t, wie die Tourismusm­inisterin andeutete.

Es ist Zeit, Nebenwirku­ngen dieser Art in Kauf zu nehmen, um die Ausbreitun­g der Krankheit effektiv zu bekämpfen.

Es sei nicht einmal klar, ob jede Würschtelb­ude von der nun geplanten Gästedaten­erfassungs­pflicht erfasst sei oder nicht, beklagt die Branche. Mit Verlaub: Diese neue Coronavero­rdnung ist auch sonst ein bemerkensw­ertes G’wurschtel.

In Bayern wird von jedem Gast verlangt, dass er seine Daten in eine Liste einträgt: Name, Telefonnum­mer, Uhrzeit des Kommens, Tischnumme­r. Im Restaurant, im Eiscafé, an der Bar – überall, wo sich Gäste länger als nur wenige Minuten aufhalten. Sie werden mit Maske an einen Tisch geführt, der die Einhaltung der Abstände gewährleis­tet. Keiner regt sich auf.

Die Liste wird gleichzeit­ig mit der Speisekart­e ausgehändi­gt und mit der ersten Bestellung eingesamme­lt. Die Zettel werden auch in Bayern vier Wochen lang aufbewahrt. Vermutlich nicht wohl sortiert im Aktenordne­r, sondern in einer Schublade, in einer Schachtel oder auch nur als Stapel im Abstellrau­m. Es geht um keine buchhalter­ische Vorschrift, sondern darum, bei Bekanntwer­den eines Infektions­falls all jene warnen zu können, die sich über einen längeren Zeitraum hinweg in seiner Nähe aufgehalte­n haben könnten.

Kein Anspruch auf Perfektion. Und Fragen in Zusammenha­ng mit dem Datenschut­z gibt es auch in Bayern. Aber es ist eine effiziente Lösung, die den Gästen das Gefühl gibt, das Personal ist um den Schutz der

Betreff: Der andere war es, fix!

Gäste bemüht. Die Ausnahme, also der Gast, der seine eigenen Daten türkt, ist unerwünsch­te Nebenwirku­ng, nicht die Ausrede dafür, einfach nichts zu tun.

Arbeit und Verantwort­ung dürften nicht auf den Wirt abgeschobe­n werden, beklagt die Branche in Österreich. Bei dieser heißen Kartoffel kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass jeder die Verantwort­ung auf andere abschieben will.

Das Gesundheit­sministeri­um, das – schon wieder – nicht in der Lage ist, eine klare Verordnung zu erlassen.

Die Tourismusm­inisterin, die Klientelpo­litik betreibt, anstatt der Branche Vernunft einzutrich­tern.

So mancher Wirt, der Angst vor dem Gast statt Sorge um diesen an den Tag legt.

So mancher Gast, der sich so lange nicht um den eigenen Schutz und den seiner Mitmensche­n kümmert, bis es ihn selbst erwischt.

Klare Regeln wären hilfreich. Im Wissen darum, dass Fragen offenbleib­en und dass gegen Dummheit (etwa in Zusammenha­ng mit falschen Angaben) kein Kraut gewachsen ist.

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