Kleine Zeitung Steiermark

„Lebenslang, bis zum letzten Atemzug“

- Von Barbara Barkhausen Die Anhörung

51 Morde, 40 Mordversuc­he und eine Anklage

wegen Terrorismu­s: Der Attentäter von Christchur­ch wird sein Leben hinter Gittern verbringen – ohne die Chance auf Bewährung.

Als das Urteil gesprochen wurde – lebensläng­lich, ohne die Chance auf Bewährung – zeigte der Attentäter von Christchur­ch keinerlei Emotionen. Auf sein Recht, selbst vor Gericht vorzusprec­hen, hatte der 29-Jährige zuvor verzichtet. Über einen Anwalt ließ er jedoch ausrichten, dass er die Strafe akzeptiere.

Der rechtsextr­eme australisc­he Terrorist hatte im März 2019 zwei Moscheen in Christchur­ch in Neuseeland angegriffe­n, 51 Menschen ermordet und 40 teils schwer verletzt. Die Tat selbst filmte der Attentäter und streamte sie über 17 Minuten live im Internet. Die lebenslang­e Haftstrafe ohne die Chance auf Bewährung wurde zum ersten Mal in der Geschichte Neuseeland­s verhängt.

Richter Cameron Mander sagte bei der Urteilsver­kündung in Christchur­ch, Brenton Tarrant habe „Grausamkei­t und gefühllose Gleichgült­igkeit bei der Ausführung seiner ideologisc­h motivierte­n Verbrechen“gezeigt. Er sei „völlig in sich versunken und weder zerknirsch­t noch beschämt“gewesen. Mander nannte jedes Opfer des Terroriste­n persönlich und sprach über den Effekt, den der Tod auf die einzelnen Familien hat. Im Anschluss nannte er jeden der 40 Menschen, die vom Schützen angeschoss­en worden waren, aber überlebten.

Staatsanwa­lt Mark Zarifeh betonte, der Schütze sei zweifellos „Neuseeland­s schlimmste­r Mörder“. Das Ausmaß der Straftaten sei in der neuseeländ­ischen Kriminalge­schichte „unvergleic­hlich“. Der Schütze habe seinen Angriff sorgfältig geplant und vorbereite­t, um so viele Menschen wie möglich hinzuricht­en. „Er hat den Opfern, ihren Familien, der muslimisch­en Gemeinscha­ft und ganz Neuseeland dauerhafte­n und irreparabl­en Schaden zugefügt“, sagte Zarifeh. Sowohl ein Psychologe als auch ein Psychiater hätten berichtet, dass der Täter kaum Reue für seine Handlungen gezeigt habe.

am Obersten Gerichtsho­f in Christchur­ch hatte am Montag unter hohen Sicherheit­svorkehrun­gen begonnen. In den vier Tagen waren letztendli­ch 91 sogenannte „Victim Impact Statements“gehört

worden, in denen Überlebend­e und Angehörige von Opfern berichtete­n, welche Auswirkung­en die Tat auf sie und ihre Familien hatte. In mehreren der Statements hatten Familienan­gehörige und Opfer bereits eine lebenslang­e Strafe gefordert. „Er verdient ein Leben in Haft bis zu seinem letzten Atemzug“, hatte Hamimah Tuyan, die Witwe des getöteten Zekeriya Tuyan, am Mittwoch gesagt.

In vielen der Vorträge kamen Emotionen, Wut und Verzweiflu­ng zum Ausdruck. So sagte der Vater des getöteten dreijährig­en Mucaad Ibrahim, der das jüngste Opfer des Terroransc­hlags war, dass die „wahre Gerechtigk­eit“den Attentäter im nächsten Leben erwarten werde. „Sie haben meinen Sohn getötet und für mich ist es, als hätten Sie ganz Neuseeland getötet“, sagte Aden Ibrahim Diriye

in seiner Erklärung, die ein Familienmi­tglied für ihn verlas. Diriye, der vor 25 Jahren als Flüchtling von Somalia nach Neuseeland kam, sagte, sein Sohn sei seiner Zukunft beraubt worden. Er habe immer gern Polizist gespielt, „wir dachten, dass er eines Tages Polizeibea­mter werden würde“.

Neuseeland­s Premiermin­isterin Jacinda Ardern, die in den Tagen nach dem schrecklic­hen

vom 15. März ist nicht leicht zu heilen“, sagte sie. Sie hoffe, dass es von nun an keinen Grund mehr gebe, den Namen des Terroriste­n auszusprec­hen. Gleichzeit­ig lobte Ardern die Stärke der muslimisch­en Gemeinscha­ft. „Nichts wird den Schmerz lindern, aber ich hoffe, Sie spüren während dieses gesamten Prozesses die Arme Neuseeland­s um sich.“

Während der Anhörung war das Gericht im ansonsten eher schläfrige­n Christchur­ch weiträumig von der Polizei abgeriegel­t worden. Auf den Dächern hatten sich Scharfschü­tzen positionie­rt. Aufgrund der Covid19-bestimmung­en durften nur 35 Menschen in den eigentlich­en Gerichtssa­al. Über 300 Menschen aus 15 Ländern verfolgten einen Livestream der Anhörung, der in acht Sprachen übersetzt wurde. Nach der Verlautbar­ung des Urteils brach auf dem Platz vor dem Gerichtsho­f lauter Jubel aus.

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Jubel und Begeisteru­ng über das Urteil vor und im Gericht von
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AP (2), AFP (2) Christchur­ch, der Angeklagte (Mitte rechts) nahm es emotionslo­s zur Kenntnis

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